Lichtschwester
Substanz darin quoll sofort heraus, stieg empor und verschwand in ihrer Brust. Eine wohlige Wärme breitete sich jetzt über ihren Körper aus, und ihre Kraft kehrte im Nu wieder.
»Was soll denn das, Hexe?! Ich hatte mir doch ein Bild gewünscht, das ich in meinen Gott weiß wie vielen restlichen Jahren mit Lust und Freude betrachten kann. Und Falken kann ich nicht ausstehen«, schimpfte Isra und sah sie böse an.
»Aber der König vermutlich, und das soll ja ein Geschenk für ihn sein. Oder sollte es ihm etwa nicht gefallen?« versetzte Cathon, ging zur Werkbank, nahm ihr Bild und hielt es der Königin hin.
»Gib schon her«, rief die und riß es ihr aus den Händen - aber da spürte sie schon, daß sie einen Fehler gemacht hatte. Sie hörte Cathon noch murmeln: »Wie gesagt, Isra . .. das ist kein Geschenk für diesen König ...« Aber ihre Gedanken waren woanders. Denn sie fühlte, daß aus ihrem ganzen Leib, von den entlegensten, tiefsten Stellen, dünne Fäden eines Etwas gezogen wurden und daß ihr mit diesem zarten Etwas alle Kraft schwand und eine Leere an deren Stelle trat. Ihre Gedanken verwirrten, verflüchtigten sich, ihre Augen brannten, und in ihrem Schädel hallten Cathons Worte wider. Sie versuchte, von der Hexe zu weichen und das Falkenbild loszulassen, und wäre am liebsten fortgerannt - irgendwohin, nur möglichst weit weg. Aber plötzlich war sie nicht einmal mehr des Wünschens fähig, und ihre Willenskraft schwand und schwand. Sie hörte zwar die vor ihr stehende Frau sprechen. Aber was sie sagte, kam von so ferne her und klang so fremd, daß sie es nicht recht verstand und fragend die Stirn runzelte.
»Teufelsglas, Isra, mein Spezialbuntglas, es verhext nur Menschen wie dich, die, die ein böses Herz haben. Aber guten Menschen, wie meinem König, kann es nichts anhaben«, sagte Cathon, nahm ihr das Falkenbild aus den bebenden Händen und hielt es gegen das Licht.
Da färbten sich all die Glasstückchen in den prächtigsten Farben, in vielerlei Abstufungen von Dunkel- und Gelbbraun, von Gold und Lavendel, und sie gaben dem Falken Glanz und Leben. »Nun hast du dein Buntglasbild, dein Geburtstagsgeschenk für den König«, sagte Cathon und drehte sich zu Isra um und hielt ihr das schöne Stück hin.
Aber die Königin riß nur die Augen auf und wich jäh einen Schritt zurück. »Bunt ... Buntglas ...«, murmelte sie stirnrunzelnd. Da war von Glas die Rede gewesen, Glas, mit dem sie etwas tun solle ...
»Wie gesagt, Isra, es schadet nur den Bösen. Und nun verstehst du vielleicht auch, warum es Teufelsglas heißt.«
Die Kunde von der plötzlichen Erkrankung der Königin verbreitete sich wie ein Lauffeuer im ganzen Reiche. Man sagte, ein hitziges Fieber habe ihren Geist verwirrt und verzehrt und man könne rein gar nichts für sie tun. Aus ihrer Umgebung war zu vernehmen, daß sie wie halb anwesend und halb abwesend sei, und viele wunderten sich über das merkwürdige Verhalten, das sie an den Tag legte.
Aber der König ließ erklären, das Fest finde wie üblich statt. Er glaube, daß dies ganz im Sinne der Königin sei und wünsche allen Frohsinn und Freude.
Der große Tag brach an. Bürger und Bauern, hohe Herren und Damen, aber auch Musikanten, Gaukler und Zauberer und viele andere kamen von nah und fern herbei. Bald erklangen die Fiedeln und Flöten, die Pfeifen, Trommeln und Lauten, und ihre Weisen mischten sich mit Gesang und fröhlichem Geplauder. Ein warmes Lüftchen ging und trug den herrlichen Duft von Braten, Gemüse und frisch gebackenem Kuchen bis in die hintersten Winkel der Stadt, und allerorten lud man zu Spielen für Ritter, Bürger oder Bauern, Frauen und Kinder. Die Festgäste schlenderten Arm in Arm umher und hielten hier, um ein wenig zu schwatzen, und dort, um ihre Gläser oder ihre Teller nachzufüllen.
Viele hatten auch diesmal wieder ungefragt ein Geschenk für den König mitgebracht, und sie alle stellten sich jetzt, stolz ihre mit viel Liebe ausgewählten Gaben haltend, längs des mit dicken Seilen abgegrenzten Bereichs in einer langen Reihe auf, um ihrem Herrscher ihr Präsent zu überreichen.
Auch Cathon reihte sich ein. Mit ihrem Buntglasbild im Arm, das mangels eines Geschenkpapiers in fadenscheiniges Tuch geschlagen war, rückte sie nun langsam zum König vor. Sie sah, wie die hohen Herren der Nachbarreiche ihm Kostbarkeiten aus feinstem Gold und Silber schenkten und die weniger Begüterten und die
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