Lichtschwester
kreiste. Seine schwarzen Schuppen glitzerten im Mondlicht und brachen es in alle Regenbogenfarben auf. Mit seinen majestätischen Schwingen ließ er sich von den Luftströmungen tragen. Anfänglich flog er so langsam und unbeholfen wie nach einer ganz langen Flugpause. Dann flog er schneller, sicherer und verspielter. Er stieß steil ins Tal hinab und fing sich knapp über dem Bogen, um sich dann lustvoll wieder emporzuschwingen, und wirbelte und tanzte in der Luft umher ...
Er schickte gar einen lauten Schrei zum Mond empor, so als ob er ihm verkünden wollte: »Ich bin frei, ich bin frei!« Nun lachte Terri laut auf und klatschte vor Begeisterung in die Hände.
Darauf drosselte der Drache sein Tempo und kam langsam, suchend herbeigeschwebt. Während sie ihm noch entgegenblickte, wandte er den Kopf und blickte sie an. Da sah sie seine Augen und wich vor Schreck zurück. Diese Augen kannte sie. Das waren die Augen von Storos.
Da ließ sie in heller Angst den goldenen Kelch fallen und rannte los. Sie rannte so schnell sie konnte - nur fort von Storos dem Drachen! Sie rannte durch den Höhlengang und in den Wald hinein, ohne auch nur daran zu denken, die Fackel wieder anzuzünden. Sie rannte, bis ihr die Lunge wie Feuer brannte und ihre Beine weich wie Gummi waren. Er hatte sie gesehen, also mußte sie das Weite suchen, ohne zu ruhen und zu rasten. Wer weiß, wie wütend er nun war! Wenn sie nicht mehr rennen konnte, eilte sie im Laufschritt weiter, und wenn sie das auch nicht mehr konnte, floh sie eben im Schritt weiter durch die Nacht.
Mit dem ersten Sonnenstrahl erreichte Terri ihre Schule - war sie wirklich erst nachmittags zuvor von dort aufgebrochen? Einige der Jungs standen bereits im Garten herum und kamen sogleich zum Tor, um sie zu empfangen. Sie zogen sie hinter eines der Schulgebäude, setzten sie auf ein altes Faß und eilten dann, Dugan und Colin zu holen.
Als Terri die zwei ankommen sah, wußte sie, daß sie es geschafft hatte. Sie hatte Storos aufgespürt und sein Geheimnis gelüftet... Sie hatte vollbracht, wozu keiner ihrer Mitschüler fähig gewesen war.
Jetzt müßten die Jungs sie als ebenbürtig anerkennen. »Nun, was hast du herausgefunden?« fragte Dugan höhnisch lachend. Für ihn war es offenbar schon klar, daß sie versagt habe. Terri holte tief Luft. Weil sie die ganze Nacht nicht geschlafen hatte, fiel ihr das Denken nun etwas schwer. Aber ein Reigen von Erinnerungen wirbelte durch ihren Kopf. Sie sah Storos den Kelch zum Mond hochhalten.
Sie hörte den schrecklich traurigen Gesang, der sie tief in ihrem Inneren noch immer schmerzte. Sie spürte den Nachtwind und vernahm das Flügelschlagen der Vögel. Und sie sah Storos den Drachen schweben und niederstoßen - majestätisch jetzt und dann wieder verspielt.
Nun musterte Terri die neugierigen Gesichter ringsum. Wie könnte sie es ihnen sagen ... so, daß sie es verstünden? Wenn sie ihnen offenbarte, daß Storos ein Drache war, würden sie ihr dann noch zuhören, wenn sie von der Schönheit seines Flugs und seiner Lust daran erzählte ... oder sich nur noch für den Schatz im Felsspalt interessieren? Terri wußte nicht, weshalb Storos an ihrer Schule Lehrer war, dachte sich aber, daß er schrecklich traurig darüber sein müsse, an die Erde gefesselt zu sein, wo er doch viel lieber fliegen würde. Hatte sie das Recht, sich in seine Angelegenheiten einzumischen? Und was würde mit ihm geschehen, wenn sie das täte ?
Die Jungs warteten ungeduldig darauf, daß sie berichte. »Was ist passiert?« fragte Colin.
»Gar nichts«, sagte sie endlich. »Dieses Amulett hat versagt. Ich hab's mit ein paar Zaubersprüchen versucht, aber vergeblich. Dann habe ich mich auf den Heimweg gemacht.« »Das paßt ja genau!« rief Dugan triumphierend. »Habe ich es euch nicht gesagt? Mädchen sind eben nicht zum Zaubern gemacht.« Und damit machte er auf dem Absatz kehrt und schlenderte zur Schule zurück.
Mißbilligend den Kopf schüttelnd, trollten sich auch die übrigen Jungs. Nur Colin warf ihr einen mitfühlenden Blick zu, bevor er ging. Aber Terri war das jetzt alles gleichgültig. Sie wollte nur noch eins: schlafen. So schlich sie sich auf schwankenden Beinen auf ihr Zimmer.
Einige Tage danach sah sie Storos, wieder in Menschengestalt, zum Schultor hereinkommen. Daher nahm sie allen Mut zusammen und ging ihm entgegen. Als sie ihn auf halbem Weg traf, wandte er ihr den Kopf zu. Da
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