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Lichtspur

Lichtspur

Titel: Lichtspur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Moriarty
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davon zu erzählen? «
    »Was wollen sie dann, Cohen? Was wollen sie von mir?«
    Er schaute weg, und sie sah, wie sich seine Kehle anspannte, als er schluckte. »Woher soll ich das denn wissen? «

ABG-Station: 21.10.48.
    E rstes Spiel.
    Am Ende des zweiten Innings drängte Li sich gerade in die Nudelbar. Hamdani stand an der Abwurfstelle, die dunklen Socken bis zu den Knien hochgezogen, das rechte Bein in seiner typischen Wurfhaltung angewinkelt. Der große kubanische Schlagmann der Mets hatte gerade einen Ball die Linie entlang bis an die Mittelfeldwand gedroschen und sich auf die zweite Base gestellt, aber Lis Meinung nach hätte der Schiedsrichter wegen einer Regelverletzung abpfeifen müssen. Die Spieler im Außenfeld standen ziemlich nah und wirkten nervös.
    Der Koch tippte sich mit einem Finger an die Mütze, als sie eintrat. Bevor Hamdani den nächsten Schlagmann vom Platz geschickt hatte, saß sie schon an einem ruhigen Tisch hinten im Lokal und hatte vor sich ein Bier und eine Schale Nudeln stehen. Als sich mitten im sechsten Inning jemand an den Nachbartisch setzte, dachte sie zunächst, es sei der Koch, der sich zu einem befreundeten Yanks-Fan gesetzt hatte. Sie drehte sich um, lächelte – und sah einen Mann, von dem ihr Orakel behauptete, dass sie ihn noch nie gesehen hatte.
    Sie nickte in der Annahme, dass er nur den leeren Stuhl in Beschlag genommen hatte, und wandte sich wieder dem Spiel zu, als Hamdani gerade zur Abwurfstelle trabte. Bisher hatte er den besten Schlagmännern der Mets Paroli geboten und den Yanks ihre knappe 2 : 1-Führung bewahrt. Aber er hatte schon viel zu viele Bälle geworfen. Und er wirkte unsicher, rieb sich, wenn die Schlagmänner wechselten, den verletzten Ellbogen.
    Er war einer der ganz Großen, aber allmählich wurde er alt und neigte zu Verletzungen. Sein Fastball war nicht mehr so schnell. Seine Slider und Bogenwürfe hatten ihren
Biss verloren. Er war nicht mehr unschlagbar. Und er machte auf Li den Eindruck, als könne er nur noch zehn Würfe durchhalten.
    Er ging in Position und warf einen scharfen Slider, der so eben die Homebase streifte. »Phantastisch!«, flüsterte Li. Das hatte etwas vom alten Zauber.
    »Erster Ball!«, sagte der Schiedsrichter.
    »Verflucht noch mal!«
    »Major«, sagte der Mann am Tisch gegenüber. »Ich wusste gar nicht, dass Sie so sportbegeistert sind.«
    Li lenkte ihre Aufmerksamkeit zum Nebentisch. Der Mann lächelte sie an – ein bewusst zurückhaltendes Lächeln in einem altersneutralen Gesicht, das nichts preisgab. Sie betrachtete ihn genauer und versuchte noch einmal, ihn einzuordnen. Er erinnerte sie an jemanden, aber nur ganz allgemein. Als er ob sie nicht an eine bestimmte Person, sondern an eine Vielzahl von Leuten desselben Typs erinnerte. Ein Typ, der ihr unangenehme Schuldgefühle einflößte.
    Eine bange Vorahnung lief ihr kalt den Rücken hinunter, als sie die Verbindung herstellte. Er gehörte einem Syndikat an. Und er erinnerte sie ganz besonders an den diplomatischen Vertreter von … von wem? Des MotaiSyndikats? Des KnowlesSyndikats? Aber was zum Teufel hatte ein Genkonstrukt der A-Klasse auf Compsons Planet zu suchen? Und hatte sie von ihm etwas anderes zu erwarten als Ärger?
    »Ich glaube, ich kenne Sie nicht«, sagte sie. Besser Vorsicht walten lassen.
    »Oh, aber ich kenne Sie«, sagte das A-Klasse-Konstrukt. »Ich weiß viel mehr über Sie, als Sie sich vorstellen können.«
    »Dann sind Sie im Vorteil.«
    Er lächelte wieder. Ein diplomatisches Lächeln. Das Lächeln eines Spions. »Ich glaube, es gibt nur wenige Gebiete,
auf denen ich im Vorteil bin gegenüber einer Frau mit … Wie heißt das Wort, das Menschen so gern dafür benutzen? Mit Ihren Talenten?«
    Das Publikum im Stadion applaudierte, und Li warf einen Blick auf den Bildschirm. Der Kubaner war wieder an der Reihe. »Tolles Spiel«, sagte sie und hoffte, ihr neuer Freund würde es als Wink mit dem Zaunpfahl auffassen und gehen.
    »Mag sein. Kann ich nicht beurteilen. Ich bin kein Fan. Ich bin eigentlich nur gekommen, weil ich hoffte, dass wir uns ein wenig unterhalten können.«
    Na klar, dachte Li. Ich habe auch nichts Besseres zu tun, als mir ein Disziplinarverfahren aufzuhalsen. »Schön«, sagte sie. »Warum kommen Sie dann nicht morgen ins Büro?«
    »Ach so«, sagte der Fremde. »Nein, es ist nichts Offizielles. Ich glaube, wir haben mehr davon, wenn wir diese Sache privat besprechen.«
    Li drehte sich um und sah ihn direkt an. Am Rande ihres

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