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Lichtspur

Lichtspur

Titel: Lichtspur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Moriarty
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Schritte näher kommen hörte, und Li konnte nicht mehr eingreifen. Sie erlebte alles mit wie ein Geist, der in Sharifi gefahren war.
    Es war dieselbe Szene, die sie bei der letzten Entführung gesehen hatte. Aber diesmal verstand sie, was sie hier sah. Die seltsamen Muster, die einander über die Höhlenwände jagten, waren das Licht von Sharifis Lampe. Das Klicken war herabtropfendes Wasser. Die dröhnenden Gewehrschüsse waren die Geräusche von Stiefelabsätzen auf Grundgestein.
    »Was machen Sie hier?«, fragte Sharifi, als Voyt die Leiter herunterstieg.
    Als er unten ankam, wandte er sich ihr mit einem boshaften Grinsen zu. »Ich achte nur darauf, dass keiner die Wertsachen mitgehen lässt.«
    »Schön. Aber kommen Sie mir nicht in die Quere.«
    »Wo ist unser Ehrengast? Stiehlt er gerade das Tafelsilber? «
    »Genau hier«, sagte Bella und trat ins Lampenlicht.
    Li sah durch Sharifis Augen Bella näher kommen. Dies war nicht die eingeschüchterte Frau, die sie auf der Station
kennengelernt hatte. Diese Bella begegnete Voyts Blick und hielt ihm stand. Diese Bella bewegte sich mit der eleganten, lockeren Grazie einer Kämpferin, lächelte das kühle Lächeln einer Person, die wusste, dass sie ihr Gegenüber austricksen, demütigen konnte. Ganz gleich, was gespielt wurde. »Sind Sie bereit zu liefern?«, fragte sie.
    Sharifi sah ihr fest in die Augen und runzelte etwas die Stirn. »Sie denn?«
    Bella machte den Mund auf, um zu antworten, und die Schatten, die das flackernde Lampenlicht warf, wichen einem grellen Lichtblitz.
    Li war wieder in ihrem Quartier.
    »Cohen?«
    »Hier.« Ihre Displaywand flackerte und zeigte Cohen, wieder in Gestalt von Chiara, die in seinem sonnenhellen Empfangszimmer im Ring saß.
    »Weißt du, was wir gerade gesehen haben?«
    »Ich weiß, was du glaubst, gerade gesehen zu haben.«
    »Es steckt alles in Sharifis Erinnerungen. Alles, was wir wissen müssen. Wir müssen noch einmal hin.«
    »Wir müssen nichts dergleichen. Wir haben fast in der Falle gesessen. Und du weißt noch gar nicht, ob das, was wir gesehen haben, real war oder nicht.«
    »Darauf lasse ich’s ankommen.«
    »Das lässt du bleiben. Und wenn du nicht vernünftig sein wirst, werde ich dich persönlich aus dem Spinstrom aussperren.«
    Ein dunkler Verdacht zerrte an Lis Hinterkopf. »Warum bist du so erschrocken? Was verheimlichst du mir?«
    »Ich habe dir alles gesagt, was ich weiß, Catherine.«
    Sie lachte. »Wie kann jemand, der zweihundert Jahre zum Üben hatte, ein so mieser Lügner sein?«
    Sie rechnete zumindest mit einem Lächeln von ihm, aber er starrte nur mit verschränkten Armen auf den Boden und
ließ in einem nervösen Rhythmus einen sandalenbeschuhten Fuß hin und her pendeln. Er beugte sich vor, stützte die Ellbogen auf die Knie, und faltete die Hände so fest zusammen, dass Chiaras Knöchel weiß hervortraten.
    »Hör zu. Lass die Untersuchung fallen. Sag Nguyen, dass du krank bist oder dass du eine Wartung brauchst. Was ja offensichtlich auch der Fall ist. Seit du auf die Station gekommen bist, habe ich nicht gesehen, dass du mit diesem Arm etwas aufgehoben hast.«
    Li sah ihn fassungslos an. Eine Schabe kroch über den Boden und krabbelte die Displaywand hoch. Li sah sie mit surrealer Klarheit, jedes einzelne Bein, das sich über das leuchtende Raster des Bildschirms schob. Als die Schabe an Cohens Bein hochkroch, streckte Li die Hand aus und wischte sie weg.
    »Ich kann die Untersuchung nicht fallen lassen«, sagte sie. »Wenn ich mir noch einen Fehler leiste, schmeißt man mich raus.«
    »Ich könnte mir Schlimmeres vorstellen.«
    »Also, ich nicht.« Sie ging in der engen Kabine auf und ab. »Du hast mir diesen Schlamassel eingebrockt. Und damit meine ich nicht nur das hier. Ich rede über Metz. Wenn du etwas weißt, dann will ich es hören.«
    Cohen seufzte, und Li fragte sich nicht zum ersten Mal, wie er es schaffte, seinen Interfaces in einem solchen Maß die eigene Persönlichkeit aufzuprägen. Es fiel schwer, sich Chiaras hübsches Gesicht mit einem so müden, greisen Ausdruck vorzustellen – aber ebenso schwer fiel es, sich Cohen vorzustellen, ohne dass er seinem Interface diese selbstverächtliche Ironie verlieh, die von tausend Lügen, Halbwahrheiten und Kompromissen herrührte.
    »Ich weiß überhaupt nichts«, sagte er. »Ich habe nur eine Verdächtige. Sharifi nämlich. Wie sollte sie sonst an dieses Intraface gekommen sein?«

    »Das ist doch verrückt, Cohen. Und außerdem hat

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