Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Lichtspur

Lichtspur

Titel: Lichtspur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Moriarty
Vom Netzwerk:
hat?« Er stützte sich auf die Ellbogen. Sein Blick wirkte fiebrig, erschüttert. »Er sagte, dass Gott uns nicht kennt. Dass Gott die Menschen erwählt hat. Die Erde und die Menschen. Dass nur Maria uns genug geliebt hat, um uns auf Compsons Planet zu folgen. Warum sagt er mir so etwas? Was für eine Welt soll das sein, die Gott nicht sehen will? Was geschieht, wenn man hier unten stirbt?«
    »He!« Einer der Wachmänner steckte den Kopf ins Zimmer und trat ein, gefolgt von zwei Milizsoldaten. »Wir haben Haas auf der Leitung, und er sagt, dass der Isolationsbefehl auch für Sie gilt, Major.«
    Li war im ersten Moment zu verblüfft, um zu reagieren, immer noch unter dem Eindruck von Dawes’ Vision. »Lassen Sie mich mit Haas reden«, sagte sie schließlich.
    »Meinetwegen. Aber reden Sie anderswo mit ihm. Wenn Sie nicht augenblicklich von hier verschwinden, habe ich den Ärger.«
    Li warf Dawes einen Blick zu. Er zuckte kurz die Achseln und sah sie wieder mit weit aufgerissenen Augen an, als wollte er ihr zu verstehen geben, dass das Ganze für ihn ein einziges Rätsel war. Li versuchte Haas zu erreichen und erhielt die Mitteilung, dass sein Büro zurzeit nicht besetzt sei. Was sie nicht überraschte. Er würde mit Sicherheit so lang seinem Büro fernbleiben, bis er dafür gesorgt hatte, dass Li sich gefahrlos mit Dawes unterhalten konnte.
Draußen im Flur sprach ein junger Mann in Overall mit der diensthabenden Krankenschwester. Li war schon an ihm vorbei, als eine vertraute Bewegung ihre Aufmerksamkeit erregte und sie stehen blieb und zurückblickte. Es war der Gewerkschaftsvertreter Ramirez. Und es hörte sich so an, als versuche er auch in Dawes’ Zimmer eingelassen zu werden.
    »Was machen Sie denn hier?«, fragte sie abrupter, als sie beabsichtigt hatte.
    »Ich besuche nur einen Freund«, sagte Ramirez glatt.
    »Na, wie süß.«
    Falls Ramirez den Sarkasmus in ihrer Stimme wahrnahm, ließ er es sich zumindest nicht anmerken. »He«, sagte er zu der Krankenschwester, lächelte und berührte sie an der Schulter. »Wir sehen uns später noch, ja?« Er legte Li eine Hand an die Lenden und führte sie durch den Flur zu einer fensterlosen Tür mit der Aufschrift AUSGANG. »Es trifft sich wirklich günstig, dass Sie zufällig hier sind«, sagte er. »Ich wollte Sie ohnehin sprechen.«
    Sie traten durch die Tür in den goldgrünen Dunst eines sonnigen Herbstnachmittags. Sie standen auf dem wabenartigen Gitter einer Feuertreppe und hatten einen klaren Ausblick über Shantytown bis hin zu den Atmosphärekonvertern und den sanft rauchenden Schornsteinen des Kraftwerks. Ein leichter Wind rüttelte an der billigen Verkleidung des Klinikmoduls und zupfte müßig am Windsack neben der Landeplattform des Notdienstes.
    »Nun wohl, mein Reisegefährte«, sagte Li. »Sollten Sie nicht unterwegs sein, um Ihre Solidarität mit den Werktätigen zu demonstrieren und die Barrikaden errichten, für den Fall, dass die Panzer anrollen? Oder wollen Sie in der Pause abtauchen und sich den letzten Akt sparen? Soviel ich weiß, machen es die besten Leute immer so.«

    »He, ganz locker. Ich dachte mir nur, das wäre eine gute Gelegenheit, miteinander Verbindung aufzunehmen und zu sehen, ob … ob wir uns vielleicht gegenseitig helfen können.«
    Sie kniff die Augen zusammen. »Kommt das von Daahl oder von Ihnen?«
    »Von beiden.«
    »Und was versprechen Sie beide sich davon?«
    »Nun, das ist es, worüber ich gern mit Ihnen reden würde. Aber es wird ein paar Minuten dauern.«
    »Ich gebe Ihnen fünf Minuten«, sagte Li, lehnte sich ans Geländer und schüttelte eine Zigarette aus der Packung. »Na ja, vielleicht eher sechs. Hängt davon ab, wie schnell ich in Ihrer Gesellschaft rauche. Auch eine?«
    »Nein danke«, sagte Ramirez. »Nicht gut für die Lunge.«
    Sie sah ihn hart an.
    »Wissen Sie, jemand wie Sie könnte viel Gutes bewirken, Major.«
    »Was soll das heißen, jemand wie ich?«, fragte sie ganz ruhig.
    »Eine Person, die hier aufgewachsen ist. Die weiß, wie es hier ist. Sie könnten den Menschen im Ring wirklich die Augen öffnen.«
    »Und was würden wir damit erreichen?«
    »Alles. Es würde die Konzernpropaganda über die Treuhandschaften und die Vorgänge in den Bose-Einstein-Bergwerken entlarven. Die Menschen auf den inneren Planeten würden dann endlich erfahren, was mit ihrem Geld wirklich angerichtet wird.«
    Li lachte. Sie konnte nicht anders. »Die Leute wissen Bescheid, Ramirez. Sie wissen so viel, wie sie wissen

Weitere Kostenlose Bücher