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Lichtspur

Lichtspur

Titel: Lichtspur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Moriarty
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bedeuten, dass sie sich nicht an den Generalrat wenden kann. Oder vielleicht hat sie schon angefragt und die falsche Antwort bekommen. Pass auf, was du für ihre kleine Liebhaberei bezahlen musst. Und sorge dafür, dass du nicht im Regen stehst, wenn die Rechnung fällig ist.«
    Li spürte, dass ihre gelöste Stimmung verflog. Sie ließ den Kopf in die Hände sinken und rieb sich das Gesicht mit tauben, kalten Fingern. »Du verlangst von mir, dass ich etwas umschiffe, das ich nicht sehen kann«, sagte sie. »Wie soll ich das anstellen?«
    »Gar nicht«, sagte Cohen. Er klang außerordentlich sanft, aber vielleicht hörte sie nur das Timbre von Rolands junger Stimme. »Reiß das Ruder aber nicht erst herum,
wenn du schon die Brandung an den Klippen hörst. In der Zwischenzeit solltest du herausfinden, wer die Spieler sind und was sie wollen – und wie weit sie gehen würden, um es zu bekommen.«
    »Ist das dein Rat?«, fragte sie, den Kopf immer noch in den Händen. »Da hätte mir ein Scheiß-Glückskeks mehr verraten!«
    »Du kannst dich zurückziehen«, sagte Cohen leise.
    Li nahm die Hände vom Gesicht und blickte zu ihm auf. »Den Dienst quittieren, meinst du.« Sie spürte, wie sich ihre Wangen röteten. »Auf keinen Fall.«
    Cohen legte eine Hand auf die ihre und hielt sie fest. »Ich sage nicht, dass du aufhören sollst«, erklärte er. »Nur dass du es kannst, wenn es eng wird. Ich würde dir helfen. Du musst nur darum bitten. Was immer du brauchst.«
    Was immer sie brauchte. Natürlich redete er von Geld. Und wenn sie Geld von ihm nahm, wäre sie nicht besser als seine anderen Handlanger.
    »Ich komme darauf zurück, wenn es nötig sein sollte«, sagte sie unsicher – und musste die Zähne zusammenbeißen, um ihn anzulügen. »Schließlich gibt es noch andere Jobs. Sicherheitsdienste. Planetare Milizen. Aber … danke jedenfalls für das Angebot.«
    Seine Hand lag locker auf der ihren, und sie saßen für einen Moment da, ohne sich anzusehen.
    »Kommst du oft hierher?«, fragte Li schließlich, zog ihre Hand unter seiner weg und schaute sich um.
    »Gelegentlich.«
    »Es ist lächerlich, weißt du. Alle hier sind lächerlich.«
    »Ich weiß.«
    »Ich nehme an, du wirst mir sagen, dass es dir gerade deshalb so gefällt. Oder … wie war das? Dass mir ein existenzieller Sinn für das Absurde fehlt?«
    Er lächelte. »Würde ich so etwas sagen?«

    »Es macht dir einfach Spaß, mit anzusehen, wenn sich andere Menschen zum Narren machen, nicht?« Sie sagte es in einem scherzhaften Ton, spürte aber auf einmal den unwiderstehlichen Drang, sich mit ihm anzulegen.
    Er lehnte sich zurück und reagierte mehr auf die Empfindungen, die ihre Bemerkung motivierten, als auf die Bemerkung selbst. »Ich mache mich selber zehnmal pro Minute zum Narren«, sagte er. »Fünfzigmal pro Minute, wenn du im selben Raum bist. So etwas nennt man das Leben, Catherine.«
    »Genau. Du bist ein ganz durchschnittlicher Kerl, der ein ganz durchschnittliches Leben führt. Nur deine Prozessoren sind ein paar Milliarden Mal schneller.«
    »So ungefähr.«
    Sie schnaubte. »Und dafür verwendest du sie? Entschuldigung, aber das beeindruckt mich nicht.«
    Er zuckte die Achseln. »Ich bin einfach gern unter Menschen, ich kann auch nichts dafür. So bin ich nun einmal programmiert.«
    »Dann ändere deine Programmierung. Modifiziere deinen Code. Ich würde es an deiner Stelle tun. Ich würde mir Nguyen und Sharifi und diesen ganzen elenden Mist in einer Sekunde vom Hals schaffen, wenn ich du wäre.«
    »Das sagst du nur, weil du weißt, dass du es nicht kannst. Und jetzt lass das Meckern und hör dir diesen Song an. Er ist gut.«
    Die Sängerin stand immer noch auf der Bühne und beendete diesen Teil ihres Auftritts mit einem bittersüßen Countrysong. Es war einer dieser schönen Songs, bei denen man nicht sagen konnte, ob sie gestern oder vor dreihundert Jahren geschrieben worden waren. »Hat sie den Song geschrieben?«, fragte Li und deutete mit einem Nicken auf die Gestalt im Scheinwerferlicht.
    »Der Song ist älter als ich.«

    Li hörte genauer hin und schnappte hier und da ein Wort auf. »Was ist ein Pontchartrain?«
    »Der Pontchartrain. Es ist ein See im Delta des Mississippi, der einmal durch New Orleans floss.«
    »Vor den Überflutungen, meinst du.«
    »Noch früher sogar. Der Fluss, das ganze Mississippidelta, um genau zu sein, hat sich verschoben. Das Ingenieurskorps der US-Armee hat, äh, ein ganzes Jahrhundert gebraucht, um

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