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Lichtspur

Lichtspur

Titel: Lichtspur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Moriarty
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Syndikatskonstrukts einen sehr absonderlichen Beiklang hatte. Sie fragte sich, warum Bella sich so schämte. Weil Haas ein Fremder war, planlos entstanden und ein Mann? »Sie brauchen sich mir gegenüber nicht zu rechtfertigen«, sagte sie zu ihr. »Sie sind hier weit entfernt von Ihrer Heimat. Sie sind nicht die erste Person in der Geschichte, die sich anpassen musste, um zu überleben.«
    »Nein«, sagte Bella. »Sie verstehen mich nicht. Sie können mich nicht verstehen, weil Sie aus … woher Sie eben kommen. Es war ein Privileg, hierhergeschickt zu werden. Alle von uns, die ausgewählt wurden, kannten die Risiken und die Härten. Selbst die D-Klasse-Konstrukte. Man sagte uns, es sei das Wichtigste, was wir je für unsere Heimsyndikate leisten konnten. Deshalb darf ich nicht versagen. Ganz gleich, wie schlimm es ist.«
    »Und wie schlimm ist es?«, fragte Li.
    Bellas Gabel lag vergessen auf ihrem Tellerrand. Sie nahm sie in die Hand, machte einen halbherzigen Versuch, etwas zu essen, gab dann ganz auf. »Es war nicht so schlimm, wie ich erwartet habe. Anfangs passierte es nur ab und zu. Und Haas kann … sehr charmant sein. Dann lernte ich Cory kennen.«
    Sie schwieg ein paar Atemzüge lang und schaute auf ihren Teller. Li sagte nichts, wollte die Erinnerung nicht
unterbrechen. »Er war ein Überlebender«, fuhr sie fort. »Cory Dean. Ist das ein irischer Name?«
    Li nickte.
    »Dachte ich mir. Er war nett. Er starrte mich nicht an. Und er unterhielt sich mit mir. Er erzählte mir Witze, während wir arbeiteten, und Geschichten. Haas glaubte, dass er mein Geliebter war. Er sagte nie etwas, aber er dachte es. Es war natürlich lächerlich.« Sie rümpfte angewidert die Nase. »Ich wollte ihn nicht. Jedenfalls nicht so. Aber ich hatte nicht lang genug mit Menschen zusammengelebt, um zu begreifen, welchen Eindruck es machte.
    Cory wurde tagelang vermisst. Die ganze Station, das Bergwerk, Shantytown wurden durchsucht. Voyt hat ihn gefunden.« Bellas Gesicht verzerrte sich, als bereite es ihr Schmerzen, Voyts Namen auszusprechen. »Jemand hatte ihn verprügelt, ihm seinen Kreditchip gestohlen und ihn in der Gosse liegenlassen. Er ist in seinem eigenen Blut ertrunken. Ich wusste nicht, dass so etwas möglich ist.«
    Bella rutschte auf ihrem Stuhl herum. Als sie weitersprach, klang ihre Stimme hart und unnachgiebig wie Virustahl: »Die Wache in Shantytown hatte ihn tagelang in Gewahrsam, bis sie die Station verständigten. Sie hielten ihn für einen betrunkenen Bergmann. Sie sagten, er habe sich geprügelt, aber so etwas hätte Cory nie getan. Trotzdem fanden sich irgendwie Zeugen, die behaupteten, sie hätten ihn kämpfen sehen. Man muss in Shantytown nicht viel Geld ausgeben, damit die Leute sagen, was man will.
    Haas sagte es mir. Ich weiß noch, wie er mich dabei ansah. Als sei er stolz darauf. Als fordere er mich heraus, etwas zu sagen. Am nächsten Tag brachte er meine Sachen hierher, und seitdem … seitdem lebe ich so, wie Sie es hier sehen.«

    Bella gab nicht einmal mehr vor zu essen. Sie verdrehte ihre Serviette zwischen den Fingern, dass die Knöchel weiß hervortraten. Li dachte an Haas und an die unpersönliche Kahlheit von Sharifis Unterkunft und an die eine ungeklärte Initiale, die Sharifi in der Woche ihres Todes in ihren Terminkalender geschrieben hatte.
    Vielleicht wurde es endlich Zeit, einen Schuss ins Blaue zu wagen.
    »Haben Sie Sharifi die Geschichte erzählt, als sie zum Essen kam?«, fragte sie.
    »Was?«
    »Als sie mit Ihnen zu Abend gegessen hat. Am Abend vor ihrem Tod. War Haas hier? Oder war er an diesem Abend erfreulicherweise auch nicht zu Hause?«
    Bella starrte sie mit offenem Mund an und wurde blass. »Nicht«, flüsterte sie. »Bitte nicht.«
    »Sie hatten ein Verhältnis, stimmt’s?«
    »Ich habe das nie gesagt …«
    »Das war auch nicht nötig. Es steht in Ihrem Gesicht geschrieben, wenn Sie über Sharifi reden.«
    Bella wischte sich den Mund mit der Serviette ab. Ihre Gesichtshaut wirkte so blass wie gebleichtes Leinen. »Sie dürfen es niemandem erzählen«, sagte sie. »Haas würde … Ich weiß nicht, was er tun würde.« Ihre Hand zuckte zu der verblassten Schramme auf ihrer Wange, aber sie zwang sie zurück in ihren Schoß.
    »Weiß er’s denn nicht schon? Ist es nicht das, was Sie mir zu sagen versuchen?«
    »Nein.« Bella stand so schnell auf, dass sie gegen den Tisch stieß und die Gläser klirrten. »Nein. Nicht möglich.«
    Sie trat ans Seitenfenster und lehnte den

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