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Lichtspur

Lichtspur

Titel: Lichtspur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Moriarty
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Schwerkraft um ihre Knöchel bauschte. Aus irgendeinem Grund hatte Li keinen Zweifel, dass Haas ihr das Kleid gekauft hatte.
    »Wissen Sie genau, dass er nicht auf der Station ist?«, fragte sie und hätte sich für die Frage am liebsten selbst in den Hintern getreten.
    Bella lächelte nur, nahm die Blumen, die Li ihr mitgebracht hatte, und führte sie durch eine schmale Tür in die Küche.
    »Er ist in Helena«, erklärte sie, als sie für die Blumen Wasser in eine Vase goss. »Auf einer Sitzung der ABG-Manager.
Sie dauert noch zwei Tage. Also …« Sie warf ihr schwarzes Haar zurück und beugte sich vor, um die Blumenstängel anzuschneiden, entblößte dabei die lange, blasse Linie ihres Halses.
    Li hielt den Atem an. »Also sind Sie frei«, sagte sie und biss sich wieder auf die Zunge. Sie benahm sich heute wie ein Trampel.
    »Frei«, wiederholte Bella ohne die Spur eines Lächelns. »Ich habe nie verstanden, was Menschen mit diesem Wort meinen.«
    Das Abendessen war gut, obwohl Li keinen großen Appetit hatte. Sie fühlte sich, als würde sie an einem Theaterstück teilnehmen, an einer Inszenierung, deren Ausgang bereits feststand, deren Dialoge längst geschrieben waren. Sie aß Haas’ Essen von Haas’ Geschirr. Und auf der anderen Seite des Tisches saß Haas’ … was? Seine Geliebte? Angestellte? Seine schuldige Dienerin? Eines war sicher: Ein Happy End würde das hier nicht haben.
    Die meiste Zeit redete Bella. Sie schien unbedingt reden zu wollen, sich vor dem angespannten Schweigen zu fürchten, das zwischen ihnen in der Luft hing. Sie redete über ihre Kindheit, ihre Schulzeit, ihr Leben vor dem Vertrag. Das alles kam für Li unerwartet. Sie hatte angenommen, dass sie eines dieser mystischen Genkonstrukte vor sich hatte, von denen man in Unterrichtsstunden auf der Offiziersschule oder in Einsatzbesprechungen hörte. Brillant, eingleisig, jede Spur Individualität abtrainiert, wegprogrammiert, wegdiszipliniert, von dem Moment an, als man ihre Nabelschnur im Tank durchtrennt hatte. Stattdessen erfuhr sie die Geschichte einer einsamen jungen Frau, die ein paar hundert Lichtjahre von ihrem Heimatplaneten entfernt gestrandet war.
    Bella beschrieb die gleichen Dinge, die Li während der Syndikatskriege gesehen hatte. Zuchttanks, Brutstationen,
Studienlabors. Aber sie beschrieb sie als ihre Heimat, schilderte sie mit Worten, die Li zweifeln ließ, ob sie gesehen hatte, was wirklich auf Gilead los war, und nicht bloß das, was sie hatte sehen wollen.
    »Die Nacht, als ich hier ankam, war die erste Nacht in meinem Leben, die ich allein verbracht habe«, sagte Bella. »Ich konnte die Augen nicht schließen. Ich hörte Stimmen, Geräusche. Ich dachte, ich sei verrückt geworden.«
    »Wurde es einfacher?«
    »Nein.«
    »Warum sind Sie dann geblieben?«
    »Es war meine Pflicht.«
    Li blinzelte und fühlte sich in das Verhörzimmer auf Gilead zurückversetzt, zu den D-Klasse-Soldaten, die sich mit den gleichen Worten gerechtfertigt hatten. Meine Pflicht, sagten sie immer, als sei ihnen diese Phrase eingehämmert worden. Es ist meine Pflicht zu dienen. Es ist meine Pflicht zu töten. Es ist meine Pflicht zu sterben. Sie empfand plötzlich eine unangenehme Verwandtschaft mit Bella: die düstere Einsicht, dass – ob Krieg oder nicht – ihr die Syndikatssoldaten, die sie über ein Jahrzehnt bekämpft hatte, näher standen als die Ringbewohner, die sie pflichtgemäß gegen die Syndikate verteidigt hatte.
    »Wie sind Sie bei Haas gelandet?«, ergriff sie die erstbeste Gelegenheit, um das Thema zu wechseln.
    »Bei …? Oh.« Bella ließ den Blick sinken. »Es ist … einfach so passiert.«
    »Sie sagen das so, als hätte jemand ein Glas umgeschüttet. «
    »Es steht in meinem Vertrag.«
    »Ihr Vertrag verlangt von Ihnen, dass …?« Li brachte es nicht über sich, die Frage auszusprechen.
    »Der Vertrag verlangt nichts. Aber … er sagte mir, er wäre sehr verstimmt, wenn ich es nicht täte. Und wenn er
verstimmt wäre, würde er den Vertrag kündigen und Ersatz anfordern. Ich … Ich konnte nicht damit leben. Ich wollte keine von denen sein. Eine Ausgestoßene.«
    »Eine Affäre mit Ihrem Chef geht ein bisschen über Ihre Pflichten hinaus, Bella.«
    »Es ist keine Affäre«, sagte Bella scharf. Als Li aufblickte, war ihr Gesicht gerötet und wutentbrannt. Ihre Stimme fiel zu einem Flüstern ab. »Ich … Ich bin nicht abnorm.«
    Abnorm. Li ließ sich dieses Wort durch den Kopf gehen, das aus dem Mund eines

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