Lichtspur
ich … wie soll ich’s ausdrücken? … auf ihren Schultern stehen kann. Ich habe bereits das halbe Intraface, genauer gesagt die Wetware, die Sie mir freundlicherweise besorgt haben.«
Li hielt den Atem an.
»Sie haben Ihre hübsche Freundin hier doch sicher in Verdacht gehabt«, sagte Korchow. »Bella hat sich in so vielerlei Hinsicht als nützlich erwiesen. Ein Lob für ihr Syndikat. Jedenfalls habe ich die Wetware. Ich habe außerdem die Kristalldruse, die Sharifi gefunden hat … zumindest bis dieser dämliche Haas darin herumgepfuscht hat. Und«, er lächelte triumphierend, »ich habe Sie.«
»Also bin ich einfach nur am falschen Ort zur falschen Zeit?«
»Ganz und gar nicht. Sie würden es selbst erkennen … hätten es schon längst erkannt, wenn sie die Menschen nicht schon so lang belogen hätten, dass Sie selbst nicht mehr wissen, wer Sie sind. Die Hardware haben wir speziell für Sharifi gezüchtet. Es hätte Monate, vielleicht Jahre
gedauert, um sie auf jemand anderen neu zuzuschneiden. Aber das müssen wir nicht, oder? Denn wir haben Sharifi ja noch.« Er deutete auf Li. »Sie sitzt direkt vor mir.«
»Ich bin nicht Sharifi«, sagte Li.
»Für das Intraface schon. Keine kosmetische Chirurgie oder physiognomische Retusche oder sonst eine Body-Shop-Bastelei hat daran etwas ändern können.«
Li drehte sich der Magen um. »Ich weiß nicht, wovon Sie reden.«
»Darauf kommen wir noch zurück«, wich Korchow ihr aus. »In der Zwischenzeit werden Sie das Betriebsprogramm des Intraface stehlen – eine Software, die Sie schon einmal auf Nguyens Anweisung hin gestohlen haben. Überrascht? Was glauben Sie, was Sie auf Metz getan haben? Danach werden wir ein letztes Mal Sharifis Feldversuch durchführen. Nur um einige ungeklärte Fragen zu beantworten. «
Bellas Hand fingerte eine Zigarette aus der Packung, die Li auf dem Tisch liegengelassen hatte, und zündete sie an. Für Lis adrenalingeschärften Sinne klang der knisternde Tabak laut wie Gewehrfeuer.
»Natürlich werden Sie einen kleinen chirurgischen Eingriff über sich ergehen lassen müssen«, sagte Korchow. »Aber über die Einzelheiten brauchen wir uns keine Gedanken zu machen.«
»Ich werde es nicht tun«, sagte Li.
»Ach, aber natürlich. Und lassen Sie mich Ihnen noch etwas sagen, Major.« Korchow/Bella beugte sich vertraulich vor. »Ich glaube weiter fest an Sie. Ich glaube daran, dass Sie uns aus freien Stücken helfen werden. Denn die Geschichte verlangt es von Ihnen. Und auch wenn Sie mir jetzt vielleicht widersprechen, werden Sie mir noch einmal dafür danken, dass ich Ihnen die Augen geöffnet habe. Da bin ich mir ganz, ganz sicher.«
»Sie sind ja völlig verrückt.«
Er lächelte. »Nur idealistisch. Haben Sie keine syndikalistische politische Philosophie gelesen? Entfremdung ? Der Niedergang und Sturz der Spezies? «
»Ich habe den Film gesehen. Und vergeuden Sie nicht Ihre Zeit damit, dass Sie mir irgendwelchen Blödsinn über Verpflichtung der Gene oder Lücken in der Hierarchie oder die Rolle des Einzelnen erzählen. Ich lasse mich auf nichts ein.«
»Das ist bedauerlich. Aber ich muss gestehen, dass ich nicht überrascht bin.«
Korchow hob Bellas Hand, und unter der Höhlung ihrer Handfläche erschien ein blasses Ideogramm. Es rotierte, entfaltete sich und blühte zu einem eselsohrigen Stück gelben Papiers auf, das dicht mit Zahlen beschrieben war.
»Was ist das?«, fragte Li.
»Ich glaube, das wissen Sie«, sagte er, als er es ihr reichte.
Es fühlte sich zwischen ihren Fingern echt an, so echt, dass sie sich für einen Moment vorstellte, sie könne es zerreißen, verbrennen, irgendwie loswerden. Aber sie wusste, dass die körnige Oberfläche des Papiers, selbst der leicht schimmelige Geruch, nur eine Illusion war. Das Original war weit weg von hier. Unten auf Compsons Planet, wo sich Korchow aufhielt. Vielleicht sogar noch auf Gilead.
»Ich weiß nicht, wofür Sie das halten«, sagte sie, obwohl sie es natürlich wusste.
»Lesen Sie’s«, schlug er vor.
Oben auf der Seite stand in Blockbuchstaben: REPRODUCTION TECHNOLOGIES, S.A., J.M. JOSS, M.D.G.P., B.S., SPEZIALISIERT AUF KÜNSTLICHE REPRODUKTIONS-TECHNOLOGIE UND THERAPEUTISCHE GENTECHNIK. Darunter standen mehrere Reihen von Zahlen: medizinische
Codes auf der linken, Preise auf der rechten Seite. Die Preise waren in UN-Währung und in ABG-Berechtigungsscheinen angegeben.
Li brauchte nicht ihr Orakel zu befragen, um zu wissen, wofür die Codes standen; sie
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