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Lichtspur

Lichtspur

Titel: Lichtspur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Moriarty
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drei Männer hier um die Ecke«, sagte er. »Sie kommen hier nie raus. Machen Sie’s nicht noch schlimmer, als es schon ist.«
    Sie sah in sein blasses Gesicht, auf die vertraute Uniform, und sie war noch nie so nah daran, die Nerven zu verlieren. Ich kann ihn nicht erschießen, dachte sie. Nicht dafür.
    Aber es stellte sich heraus, dass sie es doch konnte.
    Er rollte über den Boden, und als er hochkam, zielte er auf ihren Kopf, aus einer Entfernung, aus der er einen tödlichen Treffer landen konnte. Sie zielte mit der übermenschlichen Präzision ihrer Keramstahl-verstärkten Muskulatur und feuerte nur einen einzigen Schuss ab. Er ging in einem Schwall von Blut zu Boden, noch bevor ihr bewusstes Ich begriff, dass sie ihn erschossen hatte.
    Li war noch nie etwas so schwergefallen, wie den kleinen Raum bis zu der Stelle zu durchqueren, an der er lag. Sie hatte aus einem implantierten Reflex heraus geschossen, aber als ihm der Disruptor aus der Hand fiel und über den Boden schepperte, erwies sich der Feind, der sie zu erschießen versucht hatte, als das, was er wirklich war: ein UN-Soldat, der dieselbe blassblaue Uniform vollblutete, die sie selbst ihr ganzes erwachsenes Leben getragen hatte. Einer wie sie. Ein Kamerad. Als sie auf ihn zustolperte, die Ellbogen immer noch in Schusshaltung aneinandergedrückt, wusste sie, dass er ihr Gesicht gesehen hatte. Sie
hatte die Wahl, ihn kaltblütig zu erschießen oder sich identifizieren zu lassen.
    Glück und ein sauberer Schuss bewahrten sie vor dem Schlimmsten; er war schon tot, als sie ihn erreichte. Sie sah ihn an, und ein Bild von Nguyen schoss ihr durch den Kopf: wie sie hinter ihrem eleganten Schreibtisch saß, in Seide gekleidet, und über notwendige Sicherheitsmaßnahmen redete, und dass Li auf sich selbst gestellt wäre, wenn die Aktion auf Alba schiefging. Li spuckte aus, und es war nicht bloß das Blut, das für sie bitter schmeckte.
     
    04:09:50
     
    Sie ging durch den Raum und stöpselte sich wieder ein.
    , fragte Cohen.
    
    
    Sie spürte ihre immer noch starre Seite.
    
    
    Eine winzige Pause.
    
    
     In ihren Video-Implantaten blitzte ein Gitter auf. Rote Lichtimpulse näherten sich dem Labor von drei Seiten. Die einzige Lücke im Kreis – die sich in diesem Moment bereits schloss – war der lange Korridor zurück zu den Hydrokultur-Kuppeln.
    
    
    Sie zog den Stecker raus und lief los.

     
    04:11:01
     
    Am ersten Quergang traf sie auf zwei weitere Wachen und jagte an ihnen vorbei, bevor sie auch nur ihre Waffen ziehen konnten. Die abgedichtete Haube des Druckanzugs verbarg ihr Gesicht, und Li hatte nicht vor, noch jemanden zu erschießen. Nicht dafür. Es ging jetzt nur noch um ihren erschlaffenden Körper und den Kampf gegen die Uhr.
    Sie erreichte die erste Hydrokultur-Kuppel nach einem Sprint, der ihr fast die Sehnen zerriss. Sie war schon durch die offene Isolationstür und hatte die Kuppel halb durchquert, bevor ihr klar wurde, dass sie es geschafft hatte.
    Die Kuppel war vom Hauptbogen der Station getrennt – eine autonome, lichtdurchströmte Kugel aus bei Nullschwerkraft produziertem Viruflex. Lis Füße trampelten über einen schmalen Steg zwischen aufeinandergestapelten, tropfenden Algenbecken. Hoch über ihr glühten Heizelemente an der Unterseite der Station. Unter ihr, durch die Gitter des Laufstegs deutlich zu erkennen, wölbte sich fingerdickes, durchsichtiges Viruglas … und dahinter war nichts als helles, blendendes Sonnenlicht.
    Sie warf einen Blick zurück und sah ihre Verfolger, die ihr durch die offene Drucktür nachjagten. Na gut, dann die nächste Kuppel. Und diesmal musste sie schneller sein. Sie sprintete über die glatten Bodenplatten, rutschte auf einem feuchten Fleck aus, rappelte sich auf und beanspruchte ihre Bänder und Sehnen bis an die Grenzen der Belastbarkeit. Noch ein Korridor, der mit schweren Streben gestützt und mit Virustahl gepanzert war. Und am Ende, wie die Scheinwerfer eines sich nähernden Zuges, noch mehr Sonnenlicht.
    Sie rannte in die zweite Kuppel, drehte sich auf den Hacken ihren Verfolgern zu und zielte mit der Beretta auf
sie. Sie hielten rutschend inne und suchten unzureichende Deckung hinter den Druckstreben des Korridors.

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