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Lichtspur

Lichtspur

Titel: Lichtspur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Moriarty
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um.
    Aber es war nicht dasselbe Loch, in dem sie vor ein paar Sekunden noch mit Bella und McCuen gestanden hatte. Dies hier wölbte sie höher über ihrem Kopf. Seine Stützbögen waren sauber, nicht von Rauch befleckt. Ihre Füße standen auf hartem, aktivem Fels, nicht auf heißem Geröll, das unter ihr zu schmelzen schien. Und diese Kristalldruse war mit Geräten vollgestopft – Geräten, die Li bisher nur in verfallenen Ruinen gesehen hatte.
    Sharifis Geräte. Li hob die Hand und sah einen Halbmond aus Narbengewebe zwischen Daumen und Zeigefinger. Sharifis Hand.
    Aber diesmal sah sie nicht bloß durch Sharifis Augen. Sie war Sharifi. Sie kannte ihre Gedanken, ihre Erinnerungen, ihre Gefühle. Und sie wusste, dass dies ein unergründliches Zusammenwirken von Cohen und dem Bergwerk möglich gemacht hatte. Als sie sich durch Sharifis geträumte Erinnerungen bewegte, machte die Intelligenz hinter den Kristallen sich Cohen zunutze, las ihn, fädelte sich unmerklich und unlösbar durch sein Inneres wie Keramstahl durch Nerven und Muskeln. Sie spürte durch das Intraface den triumphierenden Puls der Kristalle ebenso deutlich wie Cohens Entsetzen.
    Sharifi kniete nieder, griff nach einem Messgerät, riss einen losen Draht ab. Und mit jedem kleinen physischen Akt dachte und überlegte sie, erinnerte sich. Li schauderte,
als sie begriff, dass Sharifis Verstehen nicht mit ihrem Tod geendet hatte, dass es im Nachhinein von bohrender Reue gefärbt war. Denn was Sharifi in der Kristalldruse gefunden hatte, war der Tod. Ihr eigener Tod, an dem Ort, an dem sie am wenigsten damit gerechnet hatte.
    »Müssen Sie mir so auf den Pelz rücken?«, fragte sie Voyt.
    Er ging auf Abstand. »Und wo ist Korchow? Reißt er sich das Tafelsilber unter den Nagel?«
    »Ich bin hier.« Eine Gestalt trat aus der Dunkelheit. Es war Bella. Natürlich. Aber Bella hatte noch nie so gelächelt, sich noch nie mit so gewollt katzenhaften Schritten bewegt. Wo Bella kroch – und Li erkannte jetzt, dass es ein Kriechen war –, da tanzte Korchow. »Sind Sie so weit?«, fragte er.
    Sharifi runzelte die Stirn. »Halten Sie nur Ihren Teil der Abmachung ein.«
    »Wie könnte ich das vergessen?«
    Sharifi nahm mit der Feld-KI Kontakt auf, und Li empfand den Datenaustausch wie eine neue gleißende Strömung zwischen Sharifis Wetware und dem Feld-Array hoch über ihnen in der Umlaufbahn. Sharifis Kontakt war ein Nichts, erkannte sie. Ein Abklatsch der engen Verbindung, die zwischen ihr und Cohen herrschte. Was Sharifi getan hatte, konnten sie auch tun. Und mehr noch, sehr viel mehr. Sie spürte, dass eine wilde Euphorie in ihr hochbrandete, dass ihre und Cohens Erregung sich in einer immer noch rätselhaften alchemistischen Union zwischen ihrem einen und seinen vielen Ichs gegenseitig steigerten.
    Wir brauchen mehr, dachte Cohen. Wir müssen wissen, was sie tut.
    Li war wieder in der Szene. Sharifi fummelte noch immer mit Kabeln und Anzeigegeräten herum, testete die Verbindung, machte sich bereit. In der Zwischenzeit unternahm der Geist hinter den Kristallen erste Vorstöße,
Erkundungen. Li spürte, dass er sie durchströmte, die Verbindung zur Feld-KI über ihnen hinaufkroch, die Frau und die KI gleichermaßen umschloss.
    Aber Sharifi bastelte unbeeindruckt weiter. Versuchte Zeit zu schinden. Konnte sie nicht spüren, dass die Verbindung längst hergestellt war? Ihr kostbarer Datensatz war offen zugänglich. Worauf, zum Teufel, wartete sie?
    Li wusste die Antwort, sobald sie die Frage stellte. Sie konnte Sharifi denken hören, ihren Puls spüren, ihren Atem, den flüchtigen Schmerz eines angespannten Muskels. Sie wartete auf nichts. Sie hatte bereits alles bekommen, weswegen sie gekommen war. Das Experiment war vorüber; die Kristalle selbst hatten es aus dem Ruder laufen lassen. Sharifi hatte ihre Antworten – die Antworten, die sie vor Li, vor Nguyen, vor allen versteckt hatte. Jetzt folgte sie nur noch einem Drehbuch, versuchte Nguyen, Haas und Korchow gegeneinander auszuspielen, in der Hoffnung, dass sie tun konnte, was sie tun musste, bevor die Rechnung fällig wurde.
    Nguyen hatte die ganze Zeit recht gehabt; Sharifi hatte sie verraten.
    Aber nicht für Korchow. Nicht für die Syndikate, nicht für Geld, nicht einmal für Bella. Sie hatte es für dies hier getan – für diesen ersten flüchtigen Kontakt mit dem Leben, das durch die Bögen und Säulen der Kristalldruse wirbelte.
    Deswegen war sie auf Compsons Planet gekommen. Das Geld, der Ruhm, der

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