Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Lichtspur

Lichtspur

Titel: Lichtspur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Moriarty
Vom Netzwerk:
Und wenn doch, würde Mirce sicherlich keine Zeit damit verschwenden, um aus McCuen herauszuprügeln, was er ihr zugeflüstert hatte. Aber wenn er unbedingt den Geheimagenten spielen wollte, na schön. Was konnte es schaden?
    »Sie weiß alles«, sagte er, so nah an ihrem Ohr, dass sie seinen Atem spüren konnte. »Ich habe ihr das Band vom Flughafen-Sicherheitsdienst geschickt, und sie hat sich alles zusammengereimt. Wer Sie festhält und warum. Was Korchow von Ihnen will.«
    Li versuchte es sich vorzustellen. Nguyen hatte vermutlich jedes Bit Information aus McCuen herausgequetscht, ohne dass er überhaupt bemerkt hatte, dass er ausgesaugt wurde. Sie hatte ihn hypnotisiert, ihn mit dem ersten Blick im Stromraum festgenagelt und ihn um den Finger gewickelt. Aber das war natürlich auch Nguyens Job. Man konnte sein Leben darauf setzten, dass sie ihre Arbeit gründlich machte – und dass sie zur Stelle war, um einen rauszuhauen, wenn es wirklich darauf ankam. Solange man ihr lieferte, was sie haben wollte. Solange man sich loyal verhielt. Solange es im Interesse des Sekretariats war, einen rauszuhauen.
    »Was ist mit Gould?«, fragte sie und schob Cohens bohrende Fragen beiseite. »Irgendwelche Fortschritte in dieser Richtung?«
    »Deshalb hat Nguyen die Truppenlandung vorverlegt. Damit Korchow es pünktlich schafft. Um sicherzugehen, dass diese Sache in trockenen Tüchern ist, bevor Gould in Freetown eintrifft. Sie sagt, dass Sie vorläufig kooperieren und den richtigen Augenblick abwarten sollen. Ich soll Sie nach unten begleiten. Und die ganze Zeit über bei Ihnen bleiben. Ich soll Ihnen sagen, dass Korchow plant, Ihnen in den Rücken zu fallen. Sie glaubt, er wird versuchen, Sie umzubringen, wenn er seine Daten hat.«

    Das waren nicht unbedingt Neuigkeiten, obwohl Korchow ihr zu pragmatisch erschien, als dass er jemanden umbringen würde, solange er demjenigen durch Erpressung noch ein paar Informationen entlocken konnte.
    »Und sie sagt, Sie sollen sich auch keine Sorgen wegen Alba machen«, fügte er hinzu. »Die Sache ist geregelt.«
    Li starrte McCueen schockiert an, aber er schien sich über die Reichweite dessen, was er gerade gesagt hatte, gar nicht im Klaren zu sein. »Und wann sind wir am Zug?«, fragte sie, als sie ihre Fassung wiedergewonnen hatte.
    »Sobald die Aktion mit dem aktiven Feld gelaufen ist. Sie und ich.«
    »Und Cohen.«
    McCuen blinzelte. »Was?«
    »Sie und ich und Cohen. Die KI.«
    »Oh, die KI. Natürlich.« Hatte sie es sich eingebildet, oder hatte sie wirklich eine Spur Zögern wahrgenommen?
    »Und was sollen wir mit Korchow anstellen?«
    »Das sehen wir dann.«
    Li spürte die schlanke Härte ihrer Beretta an der Hüfte. Sie sah McCuen an. Er schaute weg.
    Was hatte Nguyen ihm wirklich gesagt? Hielt er sie nur hin, oder waren es bloß die Nerven, die jedem Agenten bei seiner ersten verdeckten Operation zu schaffen machten? Konnte sie es sich leisten, einen Verbündeten mit einem starken Rücken und einer sicheren Schusshand abzuweisen? Sie würde sich jedenfalls nur äußerst ungern in die Grube begeben, wenn Bella ihre einzige Rückendeckung war. Sofern Bella ihr überhaupt Rückendeckung bot.
    »Gut«, sagte sie nach einer Pause, von der sie wusste, dass sie einige Herzschläge zu lang gedauert hatte. »Wir spielen es auf Nguyens Art. Schaffen Sie das?«

    Er nickte.
    »Dann setzen Sie Ihr schönstes Pokerface auf und raus hier.«
     
    Mirce bewegte sich mit der leichtfüßigen Sicherheit eines Grubenhundes durch das Bergwerk. Die steilen Anstiege und rauen Schieferhaufen schienen ihr Tempo gar nicht zu beeinträchtigen. Jeder Schritt war überlegt, jeder Blick ihrer blassen Augen kalkuliert. Ihre Gesten, ihr Atem, ihre unaufhörlich pumpenden Muskeln drückten alle eine einzige kühle logische Überlegung aus: Vergeudete Bewegungen waren vergeudete Luft; vergeudete Luft war vergeudete Zeit; und Bergleute, denen in einem gasverseuchten Bergwerk die Zeit ausging, waren tot.
    Sie veranlasste die Gruppe, »aus Sicherheitsgründen« in regelmäßigen Abständen Pausen einzulegen. Während der Pausen, wenn alle außer McCuen für ein paar kurze Minuten freien Atmens die Masken abnahmen, begann Mirce mit Li zu reden.
    Sie redete über ihre Arbeit, ihren neuen Mann, ihre neuen Kinder. Ruhig, ohne Namen zu nennen. Ohne an die Vergangenheit zu rühren. Sie redete anfangs nur während der Pausen; dann gesellte sich Li an ihre Seite, und sie redete beim Gehen, wobei die undeutliche und

Weitere Kostenlose Bücher