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Lichtspur

Lichtspur

Titel: Lichtspur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Moriarty
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oder zwei Tage«, sagte Daahl.
    »Was ist, wenn sie angreifen, während wir unten sind?«
    Mirce zuckte die Achseln. »Wenn sie kommen, dann kommen sie. Unser größtes Problem unter Tage werden Luft und die Zeit sein, keine Bodentruppen.«
    Sie entrollte eine Karte und zeigte ihnen, welchen Weg sie gehen mussten. Daahls Führer würde sie in den Trinidad bringen und sich dann von ihnen trennen und in einen der hinteren Tunnel begeben, wo sich ein vertikales Bohrloch befand, das in den ABG-Karten nicht auftauchte. Mit ein wenig Erweiterung dürfte das Loch groß genug werden, dass jemand frische Sauerstoffflaschen hinablassen konnte, solange unten jemand mit einem Führungsseil stand. Wenn die Arbeit an dem aktiven Feld beendet war, konnten Li und Bella sich zurück zum Sauerstoffdepot begeben, und Daahls Männer konnten sie an die Oberfläche ziehen.
    Li hörte Mirce mit halbem Ohr zu und schaute sich auf der Karte noch einmal die Route an. Es war machbar. Mehr als nur machbar. Sie war in ihrer Karriere schon viel größere Risiken eingegangen. Die einzige Frage war diesmal nur, ob das Bergwerk sie davonkommen lassen würde.

    »Sie müssen nur zum Bohrloch zurückkommen«, schloss Mirce. »Wenn wir uns dort treffen, machen wir uns ein Bild von der Lage, und ich bringe Sie entweder durch den Hauptgang hinaus oder durch einen der Schmugglertunnel nach oben in die Hügel.«
    »Sie?« Li starrte sie an. »Das geht nicht.«
    »Natürlich ich«, sagte Mirce. »Ich bin die Beste.«
    Li sah Daahl an, aber bevor sie etwas sagen konnte, hörte sie ein Geräusch, das ihr die Nackenhaare sträubte und Daahl und Mirce zum Fenster stürzen ließ. Gewehrschüsse. Und die Schüsse kamen von dieser Seite der Linien.
    Li trat hinter Daahl und Mirce und versuchte selbst zum Fenster hinauszusehen. Hoffnungslos. Alles, was sie erkennen konnte, war eine Bewegung zwischen dem Aufblitzen der Gewehrschüsse draußen auf der Ebene. Aus der Bewegung wurde eine Gestalt, und aus der Gestalt ein Mann. Ein Mann, der eine weiße Fahne hielt und auf sie zukam.
    »Sie sollen nicht schießen!«, schnauzte Daahl, und Ramirez lief zur Tür.
    »Mein Gott«, murmelte Li. »Der Kerl riskiert seinen Hals.«
    »Nicht bloß seinen Hals«, sagte Daahl.
    Sie warteten. Ramirez erschien in der Tür.
    »Wir wissen, wer es ist«, sagte er. »Ein Milizoffizier, der dem Sicherheitsdienst der Station unterstellt ist. Auch jemand aus Shantytown, nehme ich an. Brian McCuen.«
    Li hielt den Atem an.
    »Warum zum Teufel sollten sie Brian schicken?«, fragte Daahl langsam und leise.
    »Weil«, sagte Mirce, die Augen so kalt wie die Nachtseite einer toten Raumstation, »sie annehmen, dass wir ihn nicht umbringen.«
    Die Bergleute draußen, und vielleicht auch ein paar von denen im Gebäude, waren eher bei McCuen als Li. Als sie
ihn endlich zu Gesicht bekam, war ein Auge schon halb zugeschwollen, und er sah ziemlich zerfleddert aus.
    »Sind Sie verrückt?«, fragte sie.
    Er sah sie an wie ein kleiner Hund, der sein Herrchen suchte. »Ich muss allein mit Ihnen reden.«
    Li warf Daahl, der hinter ihr stand, und Mirce, die lässig in der offenen Tür lehnte, einen Blick zu.
    »Wir geben Ihnen zehn Minuten«, sagte Daahl.
    Mirce sagte nichts, löste sich nur vom Türrahmen, als Daahl an ihr vorbeiging, und zog die Tür hinter sich zu. Li hoffte inständig, dass sie nie einen Syndikatsgefangenen so finster ansehen würde, wie Mirce gerade McCuen angesehen hatte.
    »Ich habe ihnen nichts gesagt«, sagte McCuen, als sie allein waren, »außer dass ich mit Ihnen reden muss.«
    »Gut, jetzt reden Sie mit mir. Was haben Sie mir zu sagen?«
    Er starrte sie nur an, und in seinem jungenhaften Gesicht rangen Vertrauen, Angst und Misstrauen miteinander.
    »Wer hat Sie geschickt, Brian?«
    Sein Blick wich dem ihren für einen Moment aus. »Wissen Sie das nicht?«
    »Haas?«
    Er schaute sich zögernd in dem Raum um, suchte die wackligen Wände nach Überwachungsgeräten ab. Dann formten seine Lippen lautlos eine einzige Silbe: Nguyen.
    Vertrau ihm nicht, hauchte Cohen ihr in den Hinterkopf. Nicht, wenn er von Helen kommt.
    Li schob den Gedanken beiseite. Sie konnte es sich nicht leisten, Brian zu misstrauen. Nicht, wenn sie damit rechnen musste, dass Nguyen ihr unter dem Tisch ein dringend benötigtes Ass zustecken wollte.
    Sie zog einen Stuhl heran, setzte sich und beugte den Kopf zu ihm hinunter, damit er weiter mit ihr flüstern
konnte. Soweit sie wusste, war der Raum nicht verwanzt.

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