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Lichtspur

Lichtspur

Titel: Lichtspur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Moriarty
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Cohen.
    »Was ich tun würde? Oder was ich tun würde, wenn ich du wäre?«
    Sie sah in Chiaras Augen. Sie konnte dahinter jetzt Cohen lauern sehen, so nah, dass sie ihn fast zu fassen bekommen konnte, dass sie beinahe verstand, wie es war, ein solch unwandelbares, kaleidoskopisches Viele-in-einem-Wesen zu sein.
    »Beides«, sagte sie.
    »Für mich ist es einfach. Oder besser gesagt: Es geht hier um Entscheidungen, die ich schon vor so langer Zeit getroffen habe, dass sie mir nicht mehr wie Entscheidungen vorkommen. Ich würde gern behaupten, dass es eine prinzipielle Frage ist, dass meiner Meinung nach weder TechComm noch Korchow noch sonst wer das Recht hat, Compsons Planet zu kontrollieren. Aber so ist es nicht. Es ist einfach … Neugier, nehme ich an.« Er machte eine Pause und betrachtete den dichten Staub, der ihr um die Füße geblasen wurde. »Du hast natürlich mehr zu verlieren als ich.«
    Sie ließ seine Hände los, konnte die Vermischung von körperlicher Intimität und dieser neueren, bedrohlicheren Art von Intimität nicht ertragen. »Sind wir hier sicher?«
    »Es macht keinen Unterschied. Wir können ohnehin nicht gehen. Der Weltgeist will uns hier haben.«
    »Der Weltgeist? Woher hast du das denn?«
    »Aber das ist er doch, oder?«

    Sie gingen unter der heißen Sonne einer Welt, die seit zwei Jahrhunderten tot war. Die fernen Felder waren bereits abgeerntet worden. Forellenfarbene Pferde grasten unter kniehohen Sonnenblumenstängeln, ihre silbrigen Schweife wedelten hin und her wie Pendel. Vögel pickten in den Furchen nach Würmern, und die hohen Stängel beherbergten unsichtbare Sänger, zu denen Lis Orakel erklärte, dass man sie Grillen nannte.
    Sie hatte noch nie eine Grille gesehen und blieb stehen, um zwischen den hohen, grünen Stängeln nach einer zu suchen. Cohen lachte und fragte, ob er ihr eine fangen solle.
    »Nein!«, sagte sie, etwas zu schnell und zu scharf. Eine Erinnerung kam in ihr hoch, klar wie fließendes Wasser nach einer Spanne von über zwanzig Jahren.
    Ihr zwölfter Geburtstag. Ihr Vater hatte ihr eine kleinkalibrige Gunther-Bockflinte gekauft. Es war eine Fälschung, ein in den Randzonen gefertigter Nachbau, aber trotzdem ein unerhört extravagantes Geschenk. Sie stiegen während der Dämmerung in die Hügel hinauf, überquerten Bäche, die vom rot gefärbten Frühjahrsschmelzwasser angeschwollen waren, und suchten nach den Raubfischen, die in den Stromschnellen lauerten. Sie drangen so weit in die Canyons vor, dass sie die einheimische Luft riechen konnten und ihnen der Sauerstoff knapp wurde. Als ihr Vater zu keuchen anfing, stiegen sie wieder ein Stück hinunter und folgten seitlich der Bruchkante eines alten Seebetts.
    Sie fanden die Elstern, als die Sonne schon ihre Rücken versilberte und blaue Funken über ihre langen Schwanzfedern tanzen ließ.
    Die Elstern machten ein Spiel daraus, so wie sie aus allem ein Spiel machten. Sie hüpften von Baum zu Baum, stellten sich zur Schau, kicherten über die langsamen,
dummen, erdgebundenen Menschen. Li liebte sie. Sie liebte ihre freche Schönheit, die schwungvollen Linien, die von der Brust über die Flügel bis zu den Schwanzfedern führten, ihre unverschämte fröhliche Kleptomanie. Sie wünschte sich eine von ihnen so sehr, wie sie sich noch nie etwas gewünscht hatte.
    Sie hob die Schrotflinte an die Schulter, so wie ihr Vater es ihr gezeigt hatte, dann visierte sie das Ziel an und verließ sich auf ihre Blitzreflexe, ihr Geburtsrecht als Konstrukt, lang bevor das erste Stück militärischer Wetware sich in ihr Rückenmark gebohrt hatte. Sie drückte behutsam den Abzug, spürte ihn nachgeben, das letzte Schnarren des Widerstandes, bevor die scharfe, nahtlose Einheit von Gehirn, Abzug und Schlagbolzen die Spannung des Mechanismus löste. Sie feuerte, und die blauschwarz-weiße Pracht, die eine Elster gewesen war, verwandelte sich in einen taumelnden Wirbel aus Blut und Federn.
    Sie fiel in eine Pfütze. Li erinnerte sich noch deutlich daran. Sie erinnerte sich daran, dass sie hingelaufen war, ganz versessen darauf, den Vogel zu sehen, in die Hände zu bekommen, zu besitzen. Sie erinnerte sich, dass sie sich hingekniet und ein kaputtes, verschmutztes, schlaffes Ding mit zerschmetterter Brust aufgehoben hatte. Sie erinnerte sich an ihre Tränen. Soweit sie sich erinnerte, war es das letzte Mal, dass Caitlyn Perkins wirklich geweint hatte. Sie hatte jedenfalls nicht geweint, als ihr Vater starb.
    Als sie aus der Erinnerung

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