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Lichtspur

Lichtspur

Titel: Lichtspur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Moriarty
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unautorisierte Autopsien durchzuführen. Und ich habe keinen Bedarf an noch einer von seinen albernen kleinen Loyalitätsprüfungen. Gott weiß, dass Voyt mir diese Nummer oft genug zugemutet hat.«
    Und auf einmal ergab alles einen Sinn. Sharpes Annahme, dass sie nach dem Feuer im Bergwerk herunterkommen würde, um mit ihm zu reden. Seine Verwirrung, sein Misstrauen, der schwelende Zorn, den er mit Scherzen und höflichem Schnickschnack zu überspielen versuchte.

    »Hören Sie«, sagte Li. »Ich weiß nicht, wie es unter Voyt gewesen ist, und ich weiß auch nicht, welche kleinen Absprachen er mit Haas getroffen hat. Aber ich habe nichts damit zu tun. Es war meine eigene Entscheidung, hier herunterzukommen, nicht Haas’ Befehl. Ich bin nicht hier, um Ihnen zu sagen, welcher offiziellen Linie Sie sich beugen sollen. Ich will von Ihnen nur die Wahrheit erfahren. Oder zumindest so viel von der Wahrheit, wie Sie wissen. Das ist alles.«
    »Wahrheit ist ein kompliziertes Konzept«, sagte Sharpe, und sie konnte immer noch das Misstrauen in seiner Stimme hören. »Was genau haben Sie im Sinn?«
    »Ich will Sharifis Leiche sehen.«
    »Wer hat das autorisiert?«
    »Ich.«
    Sie loggte sich in ihr Komsys ein, schrieb einen Befehl und versah ihn mit einer Zeitmarke, schickte ihn an Sharpes Stromraum-Koordinaten und sah, wie sein Blick für einen Moment ins Leere ging, als er die Nachricht las. Er sah blinzelnd und mit erstauntem Gesicht auf sie herunter.
    »Sie hätten nicht gedacht, dass ich’s schriftlich einreiche, was?« Sie lehnte sich gegen das Waschbecken, die Arme vor der Brust verschränkt, und blickte zu ihm auf. »Sie haben mich falsch eingeordnet, Sharpe.«
    »Sieht so aus«, sagte er. Er lachte und fuhr sich mit der immer noch feuchten Hand durchs Haar. »Ich muss mich entschuldigen für … nun ja, um eine gewisse Paranoia kommt man als Bergwerksarzt nicht herum.«
    »Kann ich mir vorstellen.«
    Er führte sie durch ein Labyrinth von Krankenstationen und Korridoren in die hinteren Module des Klinikgebäudes. Als sie sich dem Leichenschauhaus näherte, bemerkte Li erste Anzeichen eines kürzlichen Feuers.

    Sie schoben sich zwischen Krankenhausbetten und aufgestapelten Kisten mit medizinischen Vorräten hindurch. In unterfinanzierten Kolonialkliniken war Platz immer Mangelware, aber hier sah es so aus, als ob das Krankenhaus aus allen Nähten platze. In jeder verfügbaren Ecke war Rettungs- und Bergungsequipment verstaut worden. Berge komplizierter Diagnosegeräte und medizinische Vorräte waren an den Wänden aufgetürmt, so als habe jemand die Lagerräume geleert und ihren Inhalt einfach abgeladen, wo gerade Platz war. Während sie sich einen Weg durch die Korridore bahnten, musste Li Krankenschwestern ausweichen, die Bettpfannen und Brandsalben trugen.
    Schließlich öffnete Sharpe eine Seite einer großen Doppeltür, die mit dem orangefarbenen Warnzeichen für gefährliches Biomaterial versehen war, und führte Li durch einen frostigen Vorhang aus bestrahlter Luft in einen langen Saal mit Schubfächern aus Virustahl, die Kryotanks beunruhigend ähnlich sahen.
    »Leider sind alle belegt«, sagte Sharpe. »Zurzeit werden viele tote Bergleute eingeliefert.«
    »Und natürlich müssen sie alle obduziert werden«, sagte Li. »Wie sonst könnten Sie beweisen, dass es an ihrer eigenen Dummheit lag, dass sie da unten gestorben sind?«
    Sharpe sah sie von der Seite an, und seine dünnen Lippen verzogen sich zu einem boshaften Grinsen. »Ich habe keine Ahnung, wovon Sie reden, Major.
    Da sind wir«, fuhr er fort und blieb vor einem Schubfach stehen, das für Li wie alle anderen aussah. Er zog es mit einem eleganten Schwung seines schlaksigen Arms auf, und Li sah sich unversehens Hannah Sharifi gegenüber.
    »Meine Güte«, murmelte sie. »Was ist denn mit ihr passiert? «
    Sie sah aus, als sei sie mit einem Vorschlaghammer bearbeitet worden. Die rechte Seite ihres Kopfes war vom
Kiefer bis zum Haaransatz wie eine Eierschale eingedrückt. Und ihre rechte Hand war völlig entstellt, die Nägel herausgerissen, die faltige Haut der Finger und Handflächen blutbefleckt, die Fingerspitzen verkohlt.
    »So hat die Rettungsmannschaft sie gefunden«, sagte Sharpe. »Die Todesursache scheint Ersticken gewesen zu sein – nicht allzu überraschend bei einem Grubenfeuer.« Er hob die unverletzte linke Hand, um Li die blauen Fingernägel zu zeigen. »Die Verletzungen sind ungewöhnlich, aber man hat sie am Fuß der Treppe gefunden,

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