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Lichtspur

Lichtspur

Titel: Lichtspur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Moriarty
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gesehen hatte, beim HALO-Springen ins Äquatorialgebirge von Gilead.
    Der Schatten eines Falken kreiste über ihr, und sie hörte ihren eigenen Herzschlag, langsam und kraftvoll, durch die weite mineralische Stille hallen. Dann war sie zurück, wieder im Grid. In Sicherheit.
    

    Sie tastete im Netz um sich, dehnte sich so weit aus, wie sie konnte.
    
    Aber er war verschwunden – falls er überhaupt in ihrer Nähe gewesen war.

Shantytown: 14.10.48.
    D r. Leviticus Sharpe kam ihr an der Tür der Klinik von Shantytown entgegen. Er war ein drahtig dünner Mann mit knotigen Gelenken, gut zwei Meter groß. Er hatte die Storchenbeine gebeugt, ein großer Mann, der sich darum bemühte, eine kleine Frau nicht einzuschüchtern. Li brauchte diese Art von Entgegenkommen nicht – aber er war ihr deswegen trotzdem sympathisch.
    »Willkommen auf Compsons Planet«, sagte er mit einem Lächeln. »Ich wünsche Ihnen, dass Sie nicht allzu lang bleiben müssen.«
    Sharpes Büro lag auf der von der Stadt abgewandten Seite des Gebäudes und ging auf die Vorberge hinaus. Es war Herbst in Shantytown, und die Buscheichen verloren ihre Blätter. Li sah in den Schluchten das vertraute scharlachrote Laub und im Tiefland das silbergrüne Kräuseln des wilden Salbeis.
    »Nun«, sagte Sharpe, als sie Platz genommen hatten. »Da sind Sie endlich.«
    »Hört sich an, als hätten Sie mich erwartet.«
    Er blinzelte. »Etwa nicht?«
    Li breitete die Hände aus, die Handflächen nach oben gerichtet, und hob die Augenbrauen. Es war eine von Cohens vertrauten Gesten, und sie spürte, dass sie vor
Ärger rot wurde, weil ihr in einem Gespräch diese Geste unterlief.
    »Äh …« Sharpe rutschte auf seinem Stuhl herum und schien sich auf einmal unwohl zu fühlen. »Vielleicht sollten Sie mir einfach sagen, warum Sie hier sind, Major.«
    Li zuckte die Achseln und zog Sharifis Wet/Dry-Interface aus der Tasche.
    Sharpe warf einen Blick drauf, und Li bemerkte in seiner linken Pupille das metallische Blitzen einer sich zusammenziehenden Ringblende. Eine Bioprothese, irgendein diagnostisches Gerät.
    »Tut mir leid«, sagte er. »Wetware ist nicht ganz mein Metier. Haben Sie schon den technischen Support der ABG konsultiert? Das Büro auf der Station ist recht kompetent. «
    »Die andere Hälfte dieses Systems liegt in Ihrem Leichenschauhaus. «
    »Das bezweifle ich.« Er bückte sich, um noch einen Blick auf das Interface zu werfen. »Jedes multiplanetare Unternehmen, das über diese Art von Technik verfügt, hätte die Implantate zurückverlangt, noch bevor der Körper des Betreibers kalt gewesen wäre.«
    »Es gehörte Hannah Sharifi.«
    »Oh«, sagte er leise. »Ich verstehe. Das ist natürlich etwas anderes.«
    »Sie haben die internen Komponenten bei Ihrer Autopsie nicht entfernt?« Li konsultierte ihren Festspeicher und fand bestätigt, was sie gesehen zu haben glaubte. »Sie haben ihren Totenschein unterschrieben.«
    Er stand auf – lächelte nicht mehr und bückte sich nicht mehr –, und Li sah grüne LEDs aufblitzen, als er sein internes Chronometer zurate zog. »Ich habe eine Menge Totenscheine unterschrieben«, sagte er. Der freundliche, scherzhafte Ton war nun aus seiner Stimme verschwunden.
»Und jetzt, wenn es Ihnen recht ist, muss ich mich um meine Patienten kümmern. Grüßen Sie Haas von mir.«
    Li hatte das Gefühl, als ob sie in einem Nebel festhing. Sie folgte Sharpe durch den Korridor und musste fast laufen, um mit ihm Schritt zu halten. Er schob sich durch ein Paar Schwingtüren in einen Waschraum, beugte sich über ein Becken und fing an, sich die Hände zu waschen.
    Li drehte das Wasser ab. »Könnten Sie mir bitte sagen, was zum Teufel hier vor sich geht?«
    Sharpe streckte mit gespreizten Fingern die eingeseiften Hände aus, die seltsam verletzlich wirkten. »Ich bezweifle, dass Sie mich dazu brauchen, Major. Es siehst so aus, als hätten Sie sich schon alles selbst zusammengereimt.«
    »Schön«, sagte Li. »Ziehen Sie nur den Schwanz ein. Aber ich habe einen Job zu erledigen. Wenn Sie mir nicht helfen wollen, dann bleiben Sie mir aus dem Weg und lassen mich machen.«
    Sharpe griff an ihr vorbei und drehte das Wasser wieder an. Seine Hand zitterte, aber ein Blick in sein Gesicht verriet Li, dass der Grund Wut war, nicht Angst. »Hauen Sie einfach ab«, sagte er. »Ich bin bis zum Hals mit Patienten eingedeckt, die ihr Idioten mir herschickt. Haas weiß, dass ich gar nicht die Zeit habe, um hinter seinem Rücken

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