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Lichtspur

Lichtspur

Titel: Lichtspur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Moriarty
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die in den Trinidad führt. Es sind schon viele Leute diese Treppe hinuntergestürzt. Seit diese Ebene erschlossen wurde, läuft Wasser über diese Treppe, mal mehr, mal weniger. Irgendwo tritt Wasser aus, aber man hat diese Stelle nicht gefunden oder trockenlegen können.« Er zuckte die Achseln. »Sie hätte sich den Kopf an den Planken, an den Schachtwänden oder sonst wo aufschlagen können.«
    »Was ist mit der Hand?«
    »Ja, die Hand. Ich habe so etwas jedenfalls noch nie gesehen.«
    Li allerdings schon. Auf Gilead. In den Verhörzimmern. Als man die Finger der Leute mit Vipern bearbeitete.
    Auf Gilead war alles zusammengebrochen. Der Preis, um sich an die Spielregeln zu halten, war damals so hoch geworden, dass niemand mehr bereit war, ihn zu zahlen. Oder zumindest niemand, der dort lang genug lebte, um auf den Lauf der Dinge Einfluss zu nehmen. Und das Seltsame ist, wenn die Spielregeln nicht mehr gelten, tun sich in jeder Gruppe ein paar Leute hervor, denen das Leben ohne Spielregeln besser gefällt.
    Li hatte nicht zu dieser Gruppe gehört – oder zumindest war sie davon überzeugt. Sie hatte sich die meiste Zeit außerhalb der Verhörzimmer aufgehalten und zu verdrängen versucht, was hinter all diesen sorgfältig verschlossenen
Türen vor sich ging. Aber natürlich hatte sie gewusst – alle hatten davon gewusst –, woher die Informationen stammten, auf die sie ihre Entscheidungen gründeten. Und jedes Mal, wenn sie sich zu erinnern versuchte, was wirklich auf Gilead geschehen war, hatte sie das Gefühl, als versuche sie zwei Versionen des Krieges in einem Fach in ihrem Kopf unterzubringen, wo nur Platz für eine war.
    Sie schüttelte den Kopf und schob die Erinnerungen weg. Sharifi war keine Gefangene der Syndikate gewesen. Und dies hier war nicht Gilead – alles andere als das.
    »Sie hat sich wahrscheinlich die Hand verletzt, als sie ihren Sturz abfangen wollte«, sagte Sharpe. »Es ist nicht das erste Mal, dass jemand mit Verbrennungen eingeliefert wurde. Es gibt da unten eine Menge loser Kabel. Man kommt leicht durcheinander und fasst das falsche an, selbst wenn man weiß, was man tut.«
    Li betrachtete die Leiche. Jetzt, da sie den ersten Schock überwunden hatte, konnte sie das Gesicht unter den Verletzungen erkennen. Es war natürlich ihr eigenes Gesicht. Das Gesicht, das sie in Erinnerung hatte aus der Zeit vor ihrer Rekrutierung, die immer weiter von ihr wegrückte. Das Gesicht, das sie manchmal in Träumen hatte. Es war, als schaue sie ihren eigenen Leichnam an.
    Sharifis unverletzte Hand lag mit der Handfläche nach oben auf ihrem Bauch. Ein weißer Halbmond aus Narbengewebe zog sich über das Hautstück zwischen Daumen und Zeigefinger; Li streckte die Hand aus und berührte es. Es war irgendwie wichtig – ein Beweis dafür, dass nicht sie es selbst war, die auf dem eiskalten Metall lag, sondern eine andere Frau. Eine Frau mit ihrem eigenen Leben, ihrem eigenen Geist, ihrer eigenen Geschichte. Eine Fremde.
    Sie bemerkte, dass Sharpe sie beobachtete, und zog ihre Hand verlegen zurück. Sie räusperte sich. »Können wir irgendetwas aus diesen schweren Verletzungen schließen?«

    »Ich glaube schon. Der Schaden ist nicht so umfassend, wie es aussieht. Und Keramstahl ist sehr viel härter als Hirngewebe.« Er grinste. »Was ich Ihnen sicher nicht sagen muss, Major.«
    Li schnaufte und betastete ihre rechte Schulter. Sie hatte in der Nacht falsch gelegen und war heute mit dem unmissverständlichen Stechen von ausgefransten Fasern aufgewacht, die sich in Muskeln und Sehnen bohrten. Das Memo des Feldtechnikers fiel ihr ein, und sie überlegte, ob sie Sharpe bitten sollte, sich die Sache anzusehen. Aber nicht jetzt. Nicht wenn Sharifi zwischen ihnen lag.
    »Schauen wir mal, was wir finden«, sagte er. Er betätigte die Bedienungselemente von Sharifis Schubfach und ließ es auf ein unter der Decke verankertes Schienensystem gleiten, das die Lagerhalle mit dem Autopsiesaal verband.
    Was sie sahen, als Sharpe seinen angeblich launischen Scanner in Gang gebracht hatte, war bestürzend. Sharifis hintere Gehirnhälfte – wo das muskuläre Gedächtnis, der Geruch und die autonomen Funktionen saßen –, war so unbeschadet wie die jedes planetaren Bürgers. Sie verfügte über die VR-Relais, die man von einer Akademikerin erwartete, die immerhin im Netz ihren Lebensunterhalt verdiente und ihre Forschungen durchführte. Aber davon abgesehen war Sharifi mehr oder weniger mit denselben hinteren

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