Lichtzeit - Gibson, G: Lichtzeit - Nova War
zufrieden.
Seufzend legte er das Daten-Pad beiseite.
Das Letzte, woran er sich erinnerte war, dass er sich schwer verwundet in die Piri Reis hineingeschleppt hatte und glaubte, er müsse verbluten. Aber als die Piri Reis geborgen wurde, während sie antriebslos und mit geborstener Außenhülle in einem zunehmend unbeständigeren Orbit um Leviathan’s Fall trudelte, fand man ihn an Bord in einer versiegelten Medbox – eines der wenigen noch intakten Systeme des winzigen Schiffs.
Vielleicht war er ja aus eigener Kraft in das Ding hineingekrochen und konnte sich nur nicht mehr daran erinnern. Diese Möglichkeit bestand – aber er glaubte es nicht.
Aus dem Augenwinkel bekam er etwas mit, das seine Aufmerksamkeit erregte. Er blickte auf das Daten-Pad hinunter und sah, dass gleich unter den Worten, den er diktiert hatte, ein neuer Text erschien.
HALLO LUCAS. EMPFÄNGST DU BESUCHER? – DAK
»Verdammt will ich sein!«, flüsterte er.
Als Nächstes hörte er, wie sich im Korridor hinter der Krankenstation ein Tumult entspann. Irgendwo in der Nähe erklang das Jaulen eines Alarmsignals. Sogar die verfluchten Lichter flackerten wie bei einem Spannungsstoß – oder als hätte das Schiff einen Treffer abgekriegt. Er schlug seine Decke zurück und stand ganz vorsichtig auf, und während er zur Tür schlurfte, presste er den verletzten Arm unwillkürlich gegen seinen Bauch.
Zu seiner Überraschung ließ sich die Tür problemlos öffnen. Vorher hatte er es schon ein halbes Dutzend Mal versucht – ohne Ergebnis. Dahinter lag ein breiter Gang, dekoriert in Silber und Blau, den Farben der Konsortium-Streitkräfte. Direkt ihm gegenüber stand Chavez und starrte auf eine Anlage von Druckausgleichstüren am hinteren Ende des Korridors. Ein in der Nähe sitzender Soldat, der eindeutig zu Corsos Bewachung abgestellt war, gaffte genauso verstört wie Chavez in dieselbe Richtung.
Chavez bekam sichtlich einen Schreck, als er merkte, dass die Tür zur Krankenstation auf einmal offen stand. Der Alarmton verstummte, wobei Corso in der plötzlich eintretenden Stille die Ohren klingelten, und die Druckausgleichstüren glitten auf. Ein Colonel der Streitkräfte marschierte im Eilschritt hindurch und bellte Corsos Bewacher ein paar Befehle zu.
Gleich nach dem Colonel betrat Dakota den Gang; sie wirkte so entspannt, als unternähme sie an einem sonnigen Tag einen Spaziergang. Hinter ihr, eine Distanz beibehaltend, die Corso nur als »vorsichtig« bezeichnen konnte, folgten mindestens ein Dutzend weiterer Soldaten in stumpfgrauer Panzerung, die Waffen im Anschlag.
Sofort brach das totale Chaos aus.
Alle schienen sich gegenseitig anzuschreien. Chavez überschüttete den Colonel mit den wüstesten Beschimpfungen, während dieser abwechselnd den Mediziner und den Soldaten anbrüllte, der Corso bewachen sollte.
Dakota rauschte an allen dreien vorbei und zeigte in die Krankenstation hinein, vor der Corso stand.
»Lass uns reden«, bestimmte sie.
»Keiner wird uns stören«, versicherte sie ihm, hockte sich auf die Kante von Corsos Bett und ließ ein Bein herunterbaumeln. Er stand mit dem Rücken zur geschlossenen Tür und konnte immer noch hören, wie der Colonel und Chavez miteinander stritten.
»Wo zur Hölle hast du gesteckt?«, fragte Corso, der endlich die Sprache wiederfand. »Dauernd werde ich gefragt ›Was will sie, was will sie?‹, als ob ich dein verdammter Sprecher sei. Ich … ich …«
Seine Stimme ebbte ab, und sie lächelte. Ihm fiel auf, dass sie glücklicher und gesünder aussah als je zuvor.
»Ich komme gerade von Verhandlungen mit Colonel Leidner«, erzählte sie ihm. »Mir scheint, dass man dich die ganze Zeit über ziemlich im Dunkeln tappen ließ.«
Corso, der annahm, dass man nach Huas Tod Leidner das Kommando über den Rest der Konsortium-Truppe übertragen hatte, zuckte nur gleichgültig die Achseln und ließ sich in den Besuchersessel plumpsen. »Das kann man wohl sagen. Und dich ließen sie so ohne weiteres hier herein?«
»Ja, nachdem ich ihnen demonstriert hatte, wie leicht es mir fallen würde, die Kontrolle über dieses Schiff zu übernehmen.«
»Also gut, Dakota, für deinen Besuch gibt es offenbar einen Grund. Was willst du von mir?«
»Ich möchte, dass du mir vertraust.«
Er stand im Begriff, ihr eine scharfe Antwort zu geben, aber er
besann sich anders, als er den Ausdruck auf ihrem Gesicht sah. Er erkannte dieselbe Verletzlichkeit, die er bei ihrer ersten Begegnung bemerkt hatte, die
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