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Liebe 2.0

Liebe 2.0

Titel: Liebe 2.0 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mareike Giesen
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wollen. Die letzte Zigarette
rauchen? Den ersten Sex haben? Sich versöhnen? Sich trennen? Oder einfach nur
Sekt bei der Tanke kaufen?
    Die Geräuschkulisse
nimmt weiter zu, und schließlich bin ich an der Partymeile angekommen. Selbst
wenn die Siegessäule nicht in den hell erleuchteten Nachthimmel ragen würde,
wäre sie doch kaum zu verfehlen, denn spätestens die abertausenden Menschen mit
Glitzerhüten, Luftschlangenboas und bunten Papiertröten verraten auf subtile
Art und Weise, dass es hier und heute etwas zu feiern gibt. Nun, wir werden
sehen.
    Vorerst muss ich
feststellen, dass mich immer noch erschreckend wenig von dem naiven Landei
unterscheidet, das vor acht Jahren aus seinem behüteten niederrheinischen Nest
gefallen ist, um die Welt zu sehen. Wie habe ich mir das hier eigentlich
vorgestellt? Silvester in Berlin ist ein bisschen größer als eine Scheunenfete,
und selbst da braucht es schon mal zwei Stunden, bis man sich über den Weg
läuft. Wo ich hinsehe: Menschen über Menschen. Und einer von ihnen ist der
Mann, den ich liebe – die Nadel im Heuhaufen ist nichts dagegen!
    Ich merke, wie
ich in meinen Pumps langsam aber sicher kalte Füße bekomme, und steige nervös
von einem Fuß auf den anderen. Denk nach, denk nach! Was soll ich tun? Wenn ich
wenigstens Max’ Handynummer hätte! Das habe ich nun von meiner
Unverbindlichkeit! Zwar ist die Chance, bei dem Krach ein Klingeln zu hören,
äußerst gering, aber immer noch tausendmal größer, als dass Max mir plötzlich
vor meine blau gefrorenen Füße fällt. (O Mann, ich höre mich schon an wie
Tristan mit seinen ganzen Statistiken! Wieso gehe ich nicht gleich als Au Pair
nach Kanada und vergesse den ganzen Mist! – Astrid! Das ist es!) Hastig
ziehe ich mein Handy hervor und gehe das Verzeichnis durch. Wenn mir jemand Max’
Nummer geben kann, dann doch sicher sein Kontaktmann Null-Null-Chaos-Queen.
    Erleichtert
stelle ich fest, dass das Netz noch nicht zusammengebrochen ist, und wähle
Astrids Nummer. Freizeichen. Ich könnte heulen vor Freude. Doch dann geschieht
eine zeitlang nichts, und nach dem zehnten Klingeln schaltet sich die Mailbox
ein. Auch Astrid scheint laut zu feiern.
    „Astrid, ich
bin’s, Julia!“, plappere ich hektisch drauflos. „Hör zu, es wäre super, wenn du
mir Max’ Handynummer geben könntest, sobald du diese Nachricht gekriegt hast,
ja? Und bitte, bitte, hör die Nachricht bald ab! – Ich weiß, das macht keinen
Sinn, dir das auf deine Mailbox zu quatschen… Ach, egal. Also: Max’
Handynummer. Bitte! Der Max vom Sender. Es ist wichtig, hörst du? Bitte melde
dich bald! – Ach ja, und: Guten Rutsch!“
    Frustriert, weil
ich nicht mehr zu sagen weiß und es auch gar nichts bringen würde, einem
virtuellen Datenspeicher weiter mein Leid zu klagen, klappe ich das Handy
wieder zu und stelle es auf Vibrationsalarm, um Astrids Rückruf auf keinen Fall
zu verpassen. Dann verharre ich noch eine weitere Minute unschlüssig vor der
Furcht einflößenden Menge, ehe ich mir ein Herz fasse und zu den überlaufenen
Einlasskontrollen gehe.
    Ich habe Glück. Während die größeren Gruppen vertröstet werden, kann ich
durchschlüpfen, als ein heftig streitendes Pärchen das Gelände verlässt. Sie
heult noch schlimmer als ich eben, während er versucht, sich mit schwerer Zunge
zu verteidigen und ihr zu erklären, dass da wirklich nix gewesen! sei.
Fast habe ich ein schlechtes Gewissen, ausgerechnet durch das Unglück anderer
zu meiner Chance zu kommen… Aber jetzt ist nicht der richtige Zeitpunkt, um zu grübeln.
Jetzt wird endlich einmal gehandelt! Und auch wenn die Lage im wahrsten Sinne
aussichtslos ist, hole ich wie ein Tiefseetaucher noch einmal Luft und stürze
mich ins Getümmel, das Handy krampfhaft umklammert in der Hoffnung, dass es
mich auf kurz oder lang zu meiner rettenden Insel navigiert.
    Es ist laut,
es ist eng, es ist fröhlich – es ist furchtbar! Während ich mich Meter um Meter
durch die Menge schiebe und statt an Party nur an meinen Auftrag denken kann,
komme ich mir vor wie der Terminator auf einem Kindergeburtstag: völlig fehl am
Platz und unfreiwillig komisch. Immer wieder werde ich angerempelt, betatscht,
manchmal auch spontan umarmt und auf ein Glas Sekt eingeladen. Doch keiner der
Kandidaten hat auch nur eine entfernte Ähnlichkeit mit John Connor – äh, ich
meine natürlich: Max! –, so dass ich immer wieder höflich ablehnen und
weitersuchen muss. Und die Zeit läuft mir gnadenlos davon.
    Halb

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