Liebe 2.0
Springinsfeld wie Max gemeinsam zu entdecken. Sich
Szene für Szene vorzukämpfen und nebenbei zu beobachten, wie der Traummann wie
ein guter Wein mit den Jahren heranreift und immer noch ein bisschen besser
wird: Äußerlich, innerlich, in der Familie, im Job, im Bett… Sicher ist es
verlockend, auf den Zug eines anderen aufzuspringen, weil dieser jemand schon
zehn Stationen sicher weiter ist. Aber ist das eigene Leben nicht viel zu
kostbar, um wie in dem Film Klick einfach so vorgespult zu werden?
Martin ist ein großartiger Mentor, ein fantastischer Geschichtenerzähler.
Aber das hier ist mein Leben. Hier muss ich selbst für das Happy End sorgen,
ohne erfahrenen Ghostwriter, ohne Netz und doppelten Boden. Natürlich habe ich
Angst zu fallen! Aber nur, weil Max mir wieder eine Ahnung davon gegeben hat,
wie schön es ist, zu fliegen… Wie es ist, plötzlich aus heiterem Himmel ein
fettes Grinsen auf dem Gesicht zu haben, weil man an die letzte Nacht denkt.
Verstohlen am eigenen Pulli zu schnuppern, in dem sich das Parfum des anderen
verfangen hat. Zu überlegen, was er wohl jetzt gerade tut, in dieser Stunde,
Minute, Sekunde, während man selber komplett handlungsunfähig vor sich
hinträumt… Ich muss es ihm sagen. Unbedingt! Weil ich bei unserem Abschied
vorhin geschwiegen habe. Aber dafür gibt es ja das Wiedersehen. Oder? Wenn es
nur nicht zu spät ist…
Ich renne zurück ins Foyer – und
sehe am anderen Ende Martin stehen. Ich schlucke. Irgendetwas in seinem Blick
sagt mir, dass er Bescheid weiß. Dass er weiß, dass für uns an dieser Stelle
Endstation ist. Zumindest in beziehungstechnischer Hinsicht.
„Martin.“ Ich
laufe auf ihn zu, und er nimmt mich in die Arme.
„Schneekönigin –
wohin auf einmal?“ Trotz der neckenden Anrede sind seine Augen ernst, und es
schnürt mir die Kehle zu.
„Ich muss
gehen“, bringe ich nur hervor.
Martin nickt.
„Ich habe am Ende wohl doch noch verloren, was?“
Ich versuche ein
Lächeln, aber es scheitert kläglich und geht stattdessen in Schluchzen über.
Kopfschüttelnd wische ich mir die Tränen aus dem Gesicht, die plötzlich wie ein
Sturzbach aus mir herausbrechen. „Es tut mir so leid!“
Martin holt aus
seiner Hose ein Päckchen Taschentücher, zieht eines hervor und gibt es mir.
„Was soll dir denn leid tun?“
Als ich nicht
antworte, sondern stumm gegen meinen gefluteten Mascara ankämpfe, übernimmt er
das Reden. Was vielleicht auch gar nicht so schlecht ist, denn schließlich ist
er von jeher besser darin als ich.
„Weißt du…“ Er
zieht mich wieder näher zu sich heran, und ich lasse es gerne geschehen. Es ist
eine fast väterliche Geste und genau das, was ich jetzt brauche. „Ich hatte
immer das Gefühl, dass du etwas vor mir versteckst. Da war ein Teil von dir, an
den partout kein Herankommen war. – Wer weiß, vielleicht hast du ihn ja sogar
vor dir selbst verheimlicht? Aber deine Augen, deine Stimme, deine Texte… sie
alle haben mir gezeigt, dass da noch mehr verborgen ist. Und ich wollte zu
gerne einen Blick dort hineinwerfen, nur einen winzig kleinen. Ich war
regelrecht eifersüchtig auf dein Geheimnis. Doch am Schluss ist es wie so oft:
Nachdem ich jetzt weiß, was sich hinter der verbotenen Tür verbirgt, wünschte
ich, sie wäre nie geöffnet worden…“
Martin seufzt,
bringt mich auf eine Armlänge Abstand und schaut mich eindringlich an. Der
grüne Kern seiner sonst unergründlich grauen Augen strahlt in einer solchen
Klarheit, als würde Martin sich mir in diesem Moment vollständig öffnen. Seine
Stimme schwankt etwas, als er fortfährt.
„Ich kenne
diesen Blick, den du plötzlich im Hotelzimmer bekommen hast. Und mit dem du mir
jetzt gegenüberstehst. – Hey!“ Sanft fasst er mir mit dem Zeigefinger unter das
Kinn und dreht mein abgewandtes Gesicht wieder zu sich. Er lächelt bitter. „Ich
bin Autor. Ich weiß, wann ein Held nicht zum Helden taugt.“
„Aber du bist
doch mein Held!“ Endlich habe ich meine Stimme wieder, wenn auch brüchig und
verschleimt.
Martins Lächeln
wird etwas entspannter. „Ja, aber ein tragischer Held, Schneekönigin. Einer,
der das Mädchen am Ende nicht bekommt. Oder verstehen wir uns da etwa falsch?“
„Nein“, murmele
ich.
„Nun, so hoffe
ich wenigstens, dass mein Rivale zu schätzen weiß, was ihm da in den Schoß
fällt.“
Ich muss
lächeln. „Du bist toll. Bitte – schmeiß mich nicht aus deinem Leben!“
„Wie werd ich
denn?!“ Martin tut entrüstet. „Du
Weitere Kostenlose Bücher