Liebe 2.0
seinen
Körper, seine Erektion, die sich durch den dünnen Stoff meines Kleides drückt,
und begehrlich presse ich meine Hüften dagegen. Während ich mich an den Knöpfen
seines Hemdes zu schaffen mache, öffnet er geschickt den Reißverschluss meines
Kleides, ohne meinen Mund auch nur für eine Sekunde frei zu geben. Es folgt ein
kurzer Moment des Schocks, als mir bewusst wird, dass wir wirklich das tun, was
wir tun… Dann schmiege ich mich auch schon an die flache Männerbrust und höre
auf das wild klopfende Herz, das in fast jugendlichem Ungestüm zu zerspringen
scheint.
Keine Sekunde
später sind wir beide splitternackt. Wir wälzen uns auf dem Bett, wollen den
anderen nach aller Kunst verwöhnen und können es doch kaum abwarten, endlich
ineinander zu versinken. Und als er schließlich vollständig in mich eindringt,
ist sie endlich überwunden: die allerletzte Barriere. Nur mit Mühe halte ich an
mich, die ganze angestaute Lust und Last nicht einfach aus mir
herauszuschreien. Wir bewegen uns wie im Tanz, rhythmisch, ekstatisch, und als
wir schon wenige Augenblicke später gemeinsam zum Höhepunkt kommen, durchflutet
mich mit dem Orgasmus eine neue, ungekannte Glückseligkeit. Ein Gefühl der
Zugehörigkeit zu diesem Mann, der sich bereits in meinem Körper befindet und
den ich nun auch in meine Seele lassen möchte. Verliebt blicke ich in das
Gesicht über mir, und unter einem schweißnassen Wuschelkopf blitzen mich zwei
eisbonbonblaue Augen an.
„Ich wusste doch, dass es sich lohnt, auf dich zu warten“, höre ich Max
sagen.
Mit einem leisen Schrei wache ich
auf.
Sechsundvierzig
Ich befinde mich weiterhin im
Festsaal, auf der Bühne der Mann, mit dem und für den ich hier hergekommen bin,
und um mich herum fremde Menschen, die mich noch befremdeter anschauen.
„Verzeihung“,
murmele ich, rutsche etwas unbehaglich auf meinem Stuhl hin und her und
versuche, über die empörten Köpfe hinweg zu Martin zu schauen und dabei ein
souveränes Es ist alles in Ordnung in meinen Blick zu legen. Dabei
bleibt Martin so oder so nichts anderes übrig, als mit seiner Lesung
fortzufahren. Was er jetzt auch tut.
Ich schaue auf
die Uhr. Martin spricht jetzt seit circa zwanzig Minuten. Wann zum Henker bin
ich eingeschlafen? Verdammter Sekt! Ich meine, das ist ja wohl nicht gerade die
feine englische Art, beim Vortrag des eigenen Freundes einzuschlafen! – Was
rede ich denn da?!? Es ist wohl noch unfeiner, dann auch noch von Sex mit einem
anderen Mann zu träumen, oder!? Oder??? Nun, wie man es nimmt… Für die
Beziehung mit Martin ist es sicherlich kein gutes Omen. Aber was Max betrifft…
Max! O, Max! Max!
Wie von Sinnen springe ich auf und stürme hinaus. Ich brauche frische
Luft, dringend. Und am besten einen Psychiater. Aber lieber nicht Martin… Max!
Wie konnte ich nur so blind sein, wo die Antwort so klar ist! And the reason
is you…
Ich sehe uns vor mir, wie wir beide
am Bahnhof stehen, endlich am Ziel und doch nicht angekommen – ein weiteres
Paar, das Abschied nimmt und nicht die richtigen Worte findet.
„Es war wirklich
schön, dich noch mal wieder zu sehen“, sagte ich schließlich.
„Ja, geht mir
genau so“, antwortete er. Und dann sah ich ihn wieder, diesen Blick, der in
seiner Liebe, Verletzlichkeit und Sehnsucht all das widerspiegelte, das ich in
dem Moment selber empfand. Er dauerte nur den Bruchteil einer Sekunde, ein
Wimpernschlag, in dem das Universum still stand, ehe es mit einem kaum
merklichen Ruck wieder anlief. Und wir, wir standen uns weiter gegenüber,
verwirrt und unsicher darüber, ob wir uns den Stillstand bloß eingebildet
hatten.
Natürlich haben wir das, alles andere wäre doch Blödsinn! Falsche
Hoffnungen, die nur das zerstören, was wir gerade im Begriff sind aufzubauen.
Mach es nicht wieder kaputt! Es läuft gerade so gut! Endlich seid ihr einander
näher gekommen. – Ja, das stimmt. Aber geht es nicht vielleicht noch besser?
Noch näher?
Aufgewühlt tigere ich um den
Springbrunnen vor dem Hotel und verfolge, wie sich das Puzzle in meinem Kopf
Stück für Stück zusammensetzt. Martin ist toll. Ja, mehr als das! Er ist
wahnsinnig charmant, intelligent, weltgewandt – und, o mein Gott, ist der Mann sexy !
Diese Augen, diese Stimme, diese Hände, dieses Lächeln… Aber ich liebe ihn
nicht. Zumindest nicht so. Leider. So aufregend es ist, sich von einem
erfahrenen Mann das Wunderland zeigen zu lassen, so ist es doch noch viel
spannender, es mit einem
Weitere Kostenlose Bücher