Liebe 2.0
Barkeeper ein bisschen aussieht wie Viggo Mortensen in Herr der
Ringe , bleiben wir erst einmal vor Ort.
„Und, wie war
dein Wochenende bisher?“, fragt Astrid, als sie mir meinen heiß ersehnten Caipi
reicht.
Für einen kurzen
Augenblick fühle ich mich regelrecht ertappt, bis ich merke, dass es sich bei
Astrids Interesse um kein gezieltes Verhör, sondern schlichtweg Small Talk
handelt. Tja, das schlechte Gewissen…
„Och, nichts
Besonderes.“ Hastig ziehe ich an meinem Strohhalm und überdenke meine nächsten
Schritte. War es wirklich nichts Besonderes? Und wenn doch: Sollte ich es Astrid
nicht erzählen? Und wenn nicht: Kann ich es Astrid dann nicht erst recht
erzählen? „Ich hatte ein bisschen Ärger mit meinem Casting-Beitrag und musste
deshalb länger in der Redaktion bleiben. Danach war mit dem Abend nicht mehr
viel los.“ Für jemanden, der sich mit Halbwahrheiten eher schwer tut, bin ich
ganz zufrieden mit mir. „Und du?“
Astrid seufzt.
„Ach, ich habe mich mal wieder wahnsinnig über Sven geärgert. Ich meine, er
weiß ganz genau, dass die Kommunalwahl mein Thema ist und ich mir da
mittlerweile einige Kontakte aufgebaut habe. Und auf einmal gibt er mir nur
noch irgendwelche Praktikantenscheiße à la Bäckereieröffnung und marschiert
selbst dauernd ins Rathaus. Ich hasse dieses Freie-Wildbahn-Mitarbeiter-Dasein!“
Frustriert hackt sie mit dem Strohhalm auf ihren Limetten herum.
Ich blicke Astrid
mitfühlend an. Im Gegensatz zu mir hat sie durchaus journalistisches Herzblut,
womit ihre rechtslose Lage im Sender noch weniger haltbar ist als meine.
„Was hat denn
deine letzte Bewerbung ergeben?“, traue ich mich kaum zu fragen.
Astrid winkt ab.
„Von denen habe ich immer noch nichts gehört. Aber das würde mich auch
wundern.“ Einen Moment lang starrt sie noch böse auf das Nussschälchen vor uns
auf dem Tresen, dann hat sie ihre gute Laune zurück. „Aber was soll’s! Es wird
die Bewerbungsgötter kaum besänftigen, wenn ich einen Samstagabend opfere.
Also, Schwester: Auf uns!“
Wir stoßen
klirrend mit den halbleeren Gläsern an.
„Außerdem gibt
es wirklich Schlimmeres im Leben“, versuche ich Astrid weiter aufzuheitern.
„Ist dir zum Beispiel aufgefallen, wie eng Svens Hose gestern saß? Besonders
vorn herum. Das war ja schon unanständig!“
„Jaaa, stimmt,
das habe ich auch gedacht!“, kreischt Astrid und steigt dankbar auf meinen
Themenwechsel ein. „Ich meine, was war da los? Ich musste immer wieder
hinschauen, obwohl ich gar nicht wollte. Wie bei einem Unfall!“
„Ich weiß auch
nicht“, lache ich. „Vielleicht Push-Up-Wäsche?“
„Kriegt man die
auf Fortbildungen?“
„Na klar, im
Goody-Bag. Schließlich muss man sich in Führungspositionen Respekt auf der
ganzen Linie verschaffen. Das ist wie bei den Schimpansen!“
Astrid und ich giggeln und gackern, was das Zeug hält. Und das tut so gut! Dieses Wochenende ist wirklich eine Wohltat für sämtliche meiner
körperlichen Bedürfnisse!
Während wir an nichts Böses denken
(okay, eigentlich denken wir erwiesenermaßen sehr viel Böses), hat unsere offen
zur Schau getragene Fröhlichkeit dem umliegenden Mienenfeld aus Männern das
Signal für den Angriff gegeben. Mit einem Mal nähern sie sich aus gleich drei
verschiedenen Richtungen, und es ist nur eine Frage der Schnelligkeit, wer als
erster bei uns aufschlägt und die Konkurrenz zum Abdrehen zwingt.
„Entschuldigung
– Ladies ?“, dringt es da auch schon von links an mein Ohr. Und einen
Moment später erscheint ein Typ auf der Bildfläche, der ein bisschen aussieht,
als habe ihn MTV ausgekotzt: Ed Hardy -T-Shirt, Desigual -Jacke, Ray
Ban -Sonnenbrille, Diesel -Jeans, Nike -Schuhe… Spontan kommt
mir die Kreditkartenwerbung in den Sinn: Jacke: 250 Euro. Jeans: 130 Euro.
Nicht wie ein Idiot rumlaufen – unbezahlbar. Stil kann man halt nicht kaufen.
Für alles andere gibt es Mastercard.
Mr. MTV plustert
sich regelrecht vor uns auf, so dass der aufgedruckte Totenkopf über seiner
blank gezupften Hühnerbrust grotesk in die Breite gezogen wird und mit seinem
Träger um die Wette grinst. Dazu umgibt den jungen Mann eine penetrante
Duftwolke Route 66 , und wäre das hier ein Comic, so hätte der Zeichner
wohl lauter Stinkespiralen um ihn herumgemalt, wie bei dem Kleinen von den Peanuts. Ich stelle mir vor, wie unser Gegenüber zu Hause vor dem Spiegel steht und
entschlossen einen Kanister After Shave über seinem Kopf ausgießt, als sei es
Benzin und
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