Liebe 2.0
Schwimmen durchtrainiert ist bis in die letzte Sehne, und
würde brav einmal im Jahr laichen. Meine einzigen Sorgen beträfen das ständige
Salzwasser in meinen Haaren und das Seegras in meinem Unterwassergärtchen.
“So far or right beside me, so close, but they can’t find me. Slowly,
time forgets me. I am
only, only dreaming. Don’t wake me up!“
Verlockend, in der Tat… Andererseits:
Wenn ich singen will, muss ich nur zum Casting ins Hilton gehen, also
ist dieses Argument schon einmal hinfällig. Mit Botanik habe ich es auch nicht
so, wie meine einzige Braunpflanze, ein verstaubter Kaktus, bestätigen kann. Überhaupt
bin ich viel zu sehr moderne Frau, als dass ich meine Erfüllung in der Aufzucht
von Stichlingen finden könnte. (Das ist mir selbst in meiner jetzigen, wenig
aussichtsreichen Lage doch ein Tick zu reaktionär!) Und zu guter Letzt gibt es
hübsche Männer mit Waschbrettbauch erwiesenermaßen auch auf der Erdoberfläche. Es
wäre wirklich Vergeudung, wenn Max’ Talent unzugänglich in einem Fischschwanz
verpackt wäre, statt frei verfügbar zwischen seinen Beinen zu baumeln…
Überredet. Ich
durchbreche den Wasserspiegel und kehre zurück an die Oberfläche. Als ich aus
der Wanne steige, schwappt das Wasser wild hin und her, und die Wellness-Götter
sind aufgebracht. Aber darauf kann ich jetzt keine Rücksicht nehmen. Ich habe
ein Leben zu leben. Auch wenn ich nicht weiß, wie ich das anstellen soll.
Sechs
Heute Abend bin ich mit Astrid
verabredet. Mädelsabend – auch dies unzweifelhaft ein Ereignis auf der
Sonnenseite des Lebens. Astrid tut mir unheimlich gut. Ich würde nicht sagen,
dass sie meine beste Freundin ist (an so etwas glaube ich nämlich nicht mehr).
Aber wenn ich wollte, könnte ich mit ihr über so gut wie alles reden. Als ich
mein notgedrungenes Comeback bei Totallokal antrat, war sie gerade einen
Monat dabei und hatte bereits den vollen Durchblick. Und nachdem wir uns bei
einem von Svens Solo-Auftritten in der Redaktionssitzung über den Tisch hinweg
bedeutungsvoll angesehen hatten, wusste ich, dass wir auf einer Wellenlänge
waren. – Autsch! Wie ich diese Radiometaphorik hasse…
Die Hälfte meines Kleiderschranks liegt bereits auf meinem Bett verteilt,
während ich in den Untiefen des Schwedenmöbels weiter nach etwaigen Schätzen
grabe. Dabei weiß ich ziemlich genau, dass das Unternehmen aussichtslos ist,
aber ich finde, dass es irgendwie dazu gehört. Quasi als Vorspiel zu einer
Lady’s Night.
Nachdem ich mich doch wieder für
mein aktuelles Lieblings-T-Shirt entschieden und alles andere mehr oder weniger
ordentlich zurück verstaut habe ( Sorry, Leute, ein andermal! ), geht es
für das Fein-Tuning vor den Spiegel. Und während ich dort voll konzentriert den
Lidstrich ziehe, überlege ich, wann mich das letzte Mal dieser naive
Vorfreudenmix aus „Spaß und vielleicht auch mehr“-Haben durchrieselt hat. Und
ich stelle mit Erschrecken fest, dass es mehr als ein gutes Jahrzehnt her sein
muss.
Damals haben wir
uns vor einer Scheunenfete immer reihum bei einer Freundin getroffen und uns
die Nägel und Augenlider in aktuellen Knallfarben bemalt. Danach wurde eine
große Kiste hervorgeholt, in der unser gesammelter Modeschmuck zu einem
riesigen Knäuel aus Ketten, Ringen und Ohrgehängen verdreht war, und es galt
das Kunststück fertig zu bringen, das passende Lametta für’s eigene Outfit
abzugreifen, ohne sich noch vor der Ankunft auf der Party mit den anderen
Mädels über ein paar Armreifen total zerschissen zu haben.
Ich muss
unwillkürlich seufzen. Manchmal fühle ich mich ein bisschen wie eine
Zeitreisende, die die letzten zwölf Jahre mehr oder weniger übersprungen hat.
Sicher, auch ich habe Einiges in dieser Zeit erlebt – viele schöne Sachen
sogar. Aber spätestens nachdem Jonas meinen grellen Plastikschmuck durch einen
silbernen Freundschaftsring ersetzt hat, wurde meine Zeitrechnung eine andere, und
ich bekam alles um mich herum kaum noch mit: Wie die Scheunen erst zu Diskos
wurden und dann zu Bars; wie Jeanshemden aus der Mode kamen und jetzt (unverständlicherweise)
ihr Comeback feiern; wie ich zu einer Frau wurde – und die Jungs zu Männern.
Das alles ist passiert, ja. Aber wann? Und wie? Ich komme mir ein bisschen vor
wie Jennifer Garner in 30 über Nacht , so hin und her gerissen zwischen
Neugier und Panik, wie man sich draußen auf dem erwachsenen Singlemarkt
überhaupt bewegt. Was tut man? Was sagt man? Zwar waren Jonas und ich
Weitere Kostenlose Bücher