Liebe 2.0
Bild oder eine Vase gestarrt, welche Jonas
und ich gemeinsam angeschafft haben. Das ist gefährlich. Denn derartige Dinge
besitzen die schlechte Angewohnheit, in den ungünstigsten Momenten ein
Eigenleben zu entwickeln und plötzlich zurückzustarren. Wie Scheidungskinder
stehen sie dann stumm und etwas linkisch in der Gegend herum und erinnern einen
vorwurfsvoll daran, dass wir mal so etwas wie eine Familie waren, Jonas, ich
und unser gemeinsames Zuhause. Und jetzt ist alles ausgeräumt, halbiert: Zwei
Stühle von vieren, ein Spiegelbild statt zweien. Zwar scheint nach außen hin
alles sauber getrennt. Aber die Schnittstelle vermag nur schlecht zu heilen.
Auch das ist so eine Sache bei Trennungen: Als wäre es nicht schon
schlimm genug, sich von der großen Liebe seelisch abzulösen, ist man auch in
allen anderen Bereichen fest zusammengepappt. Materielle Streitigkeiten wie
die, wer welche DVD bekommt, sind da noch das geringste Problem. Und damit
wären wir bei
Punkt 2: Der neue alte Job und wie
es soweit kommen konnte, dass ich bei meinem Versuch, einen beherzten Schritt
in Richtung Zukunft zu wagen, erst einmal zwei Schritte zurückgegangen bin.
Jonas und ich
hatten während meines anderthalbjährigen Volontariats bei der Gazette beschlossen,
dass ich meine journalistische Ausbildung zwar brav abschließe, mich danach
aber im Sinne eines privaten Sabbaticals erst einmal auf einem anderen Gebiet
versuche. Denn leider musste ich im Laufe meiner Ausbildung immer mehr
feststellen, dass der Job der rasenden Reporterin so gar nichts für mich war.
Ich sagte es ja bereits: Die ständige Reizüberflutung, die Hektik, die
Kurzlebigkeit – all das ist zuviel für einen Eigenbrötler wie mich.
Journalismus ist eine Kunst, die sich der Prosa des Alltags verschrieben hat,
während ich doch etwas ganz anderes wollte: Ruhe, Zurückgezogenheit,
Nachdenklichkeit… wahre Poesie!
Mein Traum war
es, ein eigenes Buch zu schreiben, und ganz die treue Seele, die Jonas war,
wollte er mich darin so gut es ging unterstützen. Wir hatten einen Deal:
Entweder, ich lege binnen eines Jahres einen Bestseller vor, oder aber ich gehe
in den Beruf zurück, den ich gelernt habe. – Leider war die Uhr für unsere
Beziehung schon deutlich früher abgelaufen. Es dauerte keine zwei Monate mehr,
dass nicht nur Jonas und Julia, sondern auch der Schreiberling und sein Sponsor
getrennte Wege gingen. Zu diesem Zeitpunkt befand sich meine Romanidee noch im
ersten Entwicklungsstadium, was bedeutete, dass sie zwar kräftig, doch noch
völlig unkontrolliert vor sich hin zappelte und so nicht überlebensfähig war.
Aus der Not heraus habe ich mich deshalb bei Totallokal um eine freie
Mitarbeiterschaft beworben, die ich aufgrund alter Kontakte und meiner
Überqualifikation auch bekommen habe. Und so bin ich letzten Endes
karrieretechnisch doppelt gescheitert: Während das Romanfragment brach liegt,
bestand meine bislang einzige journalistische Enthüllung darin, unserem
Praktikanten die Klamotten vom Leib zu reißen.
So kann das
nicht weitergehen! Ich muss handeln! Und das werde ich! Als erstes bestellen
Astrid und ich uns vier Caipis auf einmal!
Sieben
Als ich im Shakers erscheine, bietet sich mir das typische Bild einer Lady’s Night: An jedem
zweiten Tisch sitzt eine Gruppe aus zwei bis fünf Herren zwischen zwanzig und
vierzig Jahren, jeder ein kühles Blondes vor sich und fest entschlossen, an
diesem Abend auch noch was heißes Blondes an Land zu ziehen. Das betont laute
Lachen, mit dem die Männer sowohl ihre gute Laune als auch ihr Revier
markieren, erinnert unweigerlich an das prähistorische Balzverhalten des
Neandertalers und ist in etwa genauso sexy. Aber nun gut, dafür gibt es ja die
Cocktails zum halben Preis, die an der anderen Hälfte der Tische von den
Neandertalerinnen in spe eifrig konsumiert werden. Noch sind sie alle hübsch
zurechtgemacht und haben sich, ihre Freundinnen und ihre Zunge unter Kontrolle.
Aber sobald die Jäger und Sammler erste Schwachstellen wie etwa einen
schwankenden Gang erkennen, verlassen sie ihren Aussichtsposten und stürzen
sich wie die Geier auf ihre Beute, in der Hoffnung, sie bei den Haaren zu
packen und in die nächst beste Höhle abzuschleppen… Ein Verhaltensforscher
hätte seine helle Freude!
Es dauert ein bisschen, bis ich
Astrid in dem ganzen Trubel ausgemacht habe. Sie hat aus der Platznot eine
Tugend gemacht und steht direkt an der Bar – perfekt! Und weil es immer voller
wird und der
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