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Liebe 2.0

Liebe 2.0

Titel: Liebe 2.0 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mareike Giesen
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mal wieder alle
zusammen!“ Trotz aller Erschöpfung strahlt meine Mutter jetzt über das ganze
Gesicht, und ich weiß mit einem Mal, von wem ich diesen kindlichen „Heile Welt“-Glauben
habe.
    „Fein, ich freu
mich drauf!“, sage ich, und meine es von Herzen. Familienwochenende ohne
Familie macht schließlich keinen Sinn. Und ich weiß gar nicht mehr, wann ich
meinen Herrn Bruder zum letzten Mal gesehen habe.
    Tristan ist fünf
Jahre jünger als ich, studiert in München Volkswirtschaftslehre und steht kurz
vor dem Vor-Diplom. Wir haben uns eigentlich immer gut verstanden – abgesehen
von ein paar Anfangsschwierigkeiten vielleicht. Als Tristan drei Monate alt
war, habe ich aus Eifersucht einmal seine Tragetasche genommen und bei den
Nachbarn vor der Haustür abgestellt. Zum Glück war es ein warmer Frühlingstag,
und meine Eltern haben Tristans Verschwinden ziemlich rasch bemerkt. 
    „Jetzt komm
schon Julia!“ Clara zerrt weiterhin an meinem Ärmel, und meine Mutter nickt.
    „Geht ihr nur
rauf. In zehn Minuten gibt es Essen.“
    Home sweet Home!
    Als ich Claras Zimmer betrete, muss
ich feststellen, dass die rosaroten Lillifee-Zeiten langsam aber sicher vorbei
sind. Die Wände hängen voll mit Postern von Hannah Montana, iCarly, Justin
Bieber, und – Zac Efron. Ich muss leise lachen. In High School Musical 3 sieht er tatsächlich aus wie der kleine Bruder von Max. Soviel also zu meiner
„Weit, weit weg“-Theorie.
    „Guck mal, ich
habe jetzt sogar einen eigenen Fernseher!“ Voller Stolz zeigt Clara auf einen
kleinen 50-mal-50cm-Würfel, den ich vage als meinen guten alten Röhrenfernseher
identifiziere. Sieh an, sieh an! Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie ich
mir den Mund fusselig gebettelt habe, mit sechzehn Jahren den ausrangierten
Fernseher meiner Eltern haben zu dürfen – vergeblich. Früher waren meine Eltern
so streng, dass ich bis zu meinem vierten Geburtstag dachte, mein Name wäre
nicht Julia, sondern Nein!
    „Boah toll!“ Ich
zeige mich beeindruckt. „Sollen wir da heute Abend was darauf gucken? Dann
bauen wir uns auf dem Boden eine Bettenburg und machen Popcorn – was meinst du?“
    „O ja, ja! Das
ist toll!“ Clara ist hellauf begeistert und klatscht in die Hände.
    „Äääässsen ist
fertig!“, ruft es von unten herauf.
    Ich komme mir
vor wie in einer Vorabendserie. Nur schöner.
     

Neunzehn
    Es tut mir in der Seele weh, aber
sobald Mamas Nudelauflauf dampfend vor mir steht, ist es wieder da: dieses
Gefühl, keinen Bissen runter zu bekommen, weil sonst etwas ganz Schreckliches
passiert. Dabei sieht alles so vertraut aus – und verlockend! Die goldgelbe
Kruste aus der Ketchup-Ei-Soße, die leicht angekokelten obersten Fussili, die
so schön knacken, wenn man drauf beißt. Dazu das Hackfleisch… Ich muss würgen.
Keine Ahnung, warum mein Leibgericht und ich plötzlich Feinde geworden sind.
Und auch Mama hat wenig Verständnis für meinen launischen Appetit. „Aber Kind,
so nimm doch noch was!“, drängelt sie. „Du siehst so schlecht aus! Und du hast
dir den Auflauf doch gewünscht!“
    Ja, ja, so ist
das mit den Wünschen. Doch obwohl es mir und meinem Magen abends noch nicht
wirklich besser geht, poppe ich das versprochene Popcorn in der Mikrowelle auf
und baue mit Clara an unserem Pyjama-Party-Lager.
    „Hast du dich
schon für einen Film entschieden?“, frage ich, als ich den DVD-Spieler meiner
Eltern herbeischaffe. (Soweit sind sie im Hause Wagner dann doch noch nicht,
dass Zehnjährige ihren eigenen DVD-Spieler haben. Und auch eine Playstation
suche ich zu meiner Erleichterung vergebens.)
    „ Die Schöne
und das Biest !“, kräht es unter einem Kopfkissen hervor.
    „Okay… Ein
Klassiker – warum nicht?“
    Ich hatte mich schon auf irgendeinen Blödsinn mit der kleinen Schwester
von Britney Spears eingestellt, aber Die Schöne und das Biest ist
natürlich super. Direkt Generationen verbindend. Zwar erkenne ich kaum etwas,
als der Vorspann über den Mini-Bildschirm flimmert, aber da ich den Film seit
meinem eigenen zehnten Lebensjahr gefühlte hundertmal gesehen habe, kann ich
mir die einzelnen Szenen auch denken. Gemütlich kuscheln wir uns ein.
    Während es neben mir fortwährend
knuspert und knurpschelt, als hätte ich einen überdimensionalen Hamster im Arm,
verfolge ich voller Spannung die Handlung, die sich mir trotz aller
Vertrautheit mit einem Mal in gänzlich neuem Licht darstellt. Fassungslos muss
ich mit ansehen, wie sich die hübsche Belle

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