Liebe 2.0
mitlachen. „Okay, okay, damit konnte
wirklich niemand rechnen“, pflichte ich ihm bei. „Das war quasi eine Falle, die
ich dir gestellt habe. Du weißt doch: Lara , die Sport-Spionin. Ich bin
nun mal eine Meisterin der Tarnung.“
Max verdreht
genervt die Augen, und ich bemühe mich, wieder ernst zu werden.
„Also gut“,
schlage ich einen seriöseren Ton an. „Sicher, vielleicht sollten wir uns besser
kennen lernen. Wieso nicht? Ich meine, du bist echt ein lieber Kerl, und ich bin
irgendwie schon ganz gerne mit dir zusammen… Aber…“
„Kein Aber .
Dann ist doch erst mal alles in Ordnung! Mehr will ich gar nicht.“
„Aber das ist es
doch gerade, Max: das Wollen!“, rufe ich aus. „Bisher war es zwischen uns so
locker und entspannt – kein Wollen, kein Müssen, keine Ansprüche, keine
Enttäuschungen!“
„Ansprüche!
Enttäuschungen! Wer redet denn davon?“ Max wird ebenfalls wieder lauter. „Ich
meine doch nur, den Dingen ihren natürlichen Lauf zu lassen. Zu schauen, wie es
sich mit uns weiterentwickelt. Nicht, weil ich meine, dass sich das so gehört.
Sondern weil ich einfach dazu Lust habe. Genauso wie ich damals einfach Lust
hatte, dich zu vögeln!“
Ich zucke
zusammen, doch der Geräuschpegel um uns herum scheint alles zu schlucken. Ich
schlucke auch.
„Ich meine…“ Max
wird wieder leiser und beugt sich stattdessen über den Tisch zu mir herüber,
„es geht doch nicht darum, die Sache unnötig zu verkomplizieren. Im Gegenteil!
Das, was zwischen uns ist, künstlich auf die Horizontale zu beschränken, nur
weil es dort seinen Anfang genommen hat – das wäre unnötig
verkompliziert. Es ist doch viel aufwendiger, mich zehnmal am Tag davon
abzuhalten, dich anzurufen, statt einmal deine Nummer zu wählen und zu fragen,
wie es dir geht!“
Ich schlucke
noch einmal und traue mich kaum, ihn anzublicken. Irgendwie fühle ich mich von
der Situation total überfordert. „Max, ich weiß nicht, ob ich das kann….“
„Hey… Hey ! Meine Lara… “ Max sucht meinen Blick. Er lehnt jetzt mit seinem
gesamten Oberkörper über dem Tisch und guckt mich schon fast zärtlich an.
Spontan wird mir speiübel. Und doch würde ich mich zu gerne in seine Arme
fallen lassen… Aber das wäre der Sache nicht dienlich. Zumindest nicht meiner
Sache. Oder der Sache, die ich für meine halte. Daher setze ich schweren
Herzens noch einen drauf.
„Max. Ich weiß nicht, ob ich das will … Es tut mir leid.“
Als ich in der Bahn nach Hause
sitze, fange ich an zu heulen. Endlich. Vielleicht spülen die Tränen ja den
Kloß weg, der während der Grundsatzdiskussion mit Max größer und größer wurde
und mir zum Schluss kaum noch Platz zum Atmen gelassen hat. Ich fühle mich
beschissen.
Max hat mir
keine Vorwürfe gemacht. Dazu ist er viel zu sehr Gentleman. Und was für ein
Recht hätte er auch, mir irgendetwas vorzuwerfen? Bisher geschah alles in
beiderseitigem Einvernehmen, juristisch eine wasserdichte Sache. Aber was heißt
das schon? Wie man sieht: Nichts.
Ich versuche, eine Mauer aus Musik um mich herum zu errichten, die mich
vom Rest der Welt abschirmt, aber der Effekt ist der gegenteilige. Über meinen mp3-Player klagt Tarja mich an:
“Until my least breath you’ll never know. Until you feel the silence
when I am gone. Now is vanishing everything what
we might have been. Only now you praise, call my name that you won’t see again.”
Kein Wunder, dass ich so depressiv
bin. Es wird höchste Zeit, die Trackliste auszuwechseln!
Ich starre aus
dem Fenster in die Dunkelheit und sehe doch nur mein eigenes verweintes
Gesicht. Oder? Ist das wirklich mein Spiegelbild? Mit einem Mal kommt es
mir so vor, als würde mich ein gänzlich fremdes Augenpaar anschauen: Es sind
nicht mehr die vertraut melancholischen Augen, die ihren Trauerflor mit
ritualisierten Rückblicken in die Vergangenheit wieder und wieder aufbügeln. Vielmehr
liegt eine akute Verletztheit in ihnen, die Wunde ist frisch und schmerzt auf
eine neue, unbekannte Art. – Es sind Augen, die zum ersten Mal um einen anderen
Mann weinen als um Jonas.
II
Siebzehn
„… 6 Uhr 15 Beitrag
Strompreiserhöhung, 6 Uhr 25 Werbeblock, 6 Uhr 30 Nachrichten, 6 Uhr 40
Vorankündigung Twilight -Wochenende, 6 Uhr 50 Werbeblock, 7 Uhr
Nachrichten, 7 Uhr 15 Comedy, 7 Uhr…“
Lustlos verliest
Sven das Sendeprotokoll. Er wirkt erschöpft und reißt gegen seine Art nicht
einen Kalauer. Wahrscheinlich macht er drei Kreuze, wenn er endlich mit
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