Liebe 2.0
duuuu… Du
manipulatives…“
„Ah, ah! Keine
Beschimpfungen! Schließlich wollen wir uns noch einen Whirlpool teilen.“
Und so verlieren wir keine Zeit mehr und ziehen uns rasch um, um in der
nächsten Stunde vor der Welt und uns selbst so zu tun, als würden wir Sport
lieben.
Die ersten zehn Minuten sind wie immer
die Schlimmsten, zumal ich mich, mal wieder, nicht aufgewärmt habe. Aber nach
und nach werden meine Muskeln und Glieder geschmeidiger, und der Crosstrainer
und ich freunden uns an. Das ist immer meine Lieblingsphase des Trainings – und
auch der Grund, warum ich das hier überhaupt mache: Wenn dein Körper gerade erwacht
und immer stärker wird, dir deutlich zeigt, dass du dich auf ihn verlassen
kannst, dass noch mehr in ihm drinsteckt als du selbst zu hoffen wagst… Das ist
Kontrolle. Und die fühlt sich gut an! So gut, dass du es großzügig akzeptierst,
nach einer weiteren halben Stunde langsam aber sicher zurück in deine Schranken
gewiesen zu werden. Denn die Erschöpfung, die sich dann breit macht, ist
zufrieden und satt – kein Vergleich zu dem sonstigen hohlen Gefühl des
Ausgebranntseins. Sie gehört halt zum Spiel dazu. Und bis dahin heißt es, jede
Minute auszukosten.
Während ich auf
einen der fünf Meter entfernten Monitore starre, auf dem ein Videoclip nach dem
nächsten flimmert, spielt sich vor meinen Augen mein eigener Film ab. Ich denke
an die letzte Woche mit ihren neuen Nonsens-Aufträgen im Sender, an die
Überstunden vor meinem Laptop, an meine Schreibversuche, an Steffi… an Martin
und die pure Zufälligkeit unserer Bekanntschaft, die binnen so kurzer Zeit so wichtig
für mich geworden ist…. und an einen anderen Mann, der so ganz anders ist als
Martin Egger, der aber die gleiche Hartnäckigkeit besitzt, sich immer wieder in
meine Gedanken einzuschleichen und dort Unruhe zu stiften. Jemand, der
hauptsächlich als bruchstückhaftes Mosaik verschiedenster Gefühle existiert und
damit noch ungreifbarer erscheint als der rätselhafte Herr Schriftsteller –
vorausgesetzt, dass man ihn überhaupt zu fassen kriegen will.
Über meine
Ohrstöpsel knallen Type 0 Negative , was sich zu den Choreographien von Kesha und Co. auf den Bildschirmen recht spaßig ausnimmt. Und auch wenn der Text von I
don’t wanna be me nicht unbedingt zu Freudentänzen anregt, so kenne ich
doch keine andere Band, die ihren Weltschmerz in ähnlich fröhliche Melodien zu
verpacken wusste: Everything dies , Live is killing me – da kommt
gute Laune auf! Peter Steeles kehliges Timbre und die schnellen Gitarrenriffs
peitschen mich derart voran, dass ich das Gefühl bekomme, mit einem Schritt sieben
Meilen zu laufen – obwohl ich doch nur auf der Stelle trete und meine Fragen
mir dicht auf den Fersen bleiben: Laufe ich auf etwas zu oder davor weg? Und wo
ist mein Ziel?
„Two steps
forward, three steps back. Without warning, heart attack…“
Ganze acht
Minuten halte ich das Tempo durch, ehe ich den aussichtslosen Wettlauf zwischen
Hase und Igel beende. Denn auch wenn ich Peter Steele cool finde, so will ich
doch nicht wie er vorzeitig an Herzversagen sterben. Also bremse ich ab, greife
nach meiner Wasserflasche und fange gierig an zu trinken, während ich zu Astrid
schiele. Die läuft schräg gegenüber von mir gemächlich auf einem Band und scheint
völlig gebannt die Wiederholung irgendeiner amerikanischen 80er-Jahre-Soap zu
verfolgen. Vor Astrid und der Laufbandriege stehen in der ersten Reihe die
Fahrräder, und danach, hinter den Fernsehern hindurch, beginnt die eigentliche
Muckibude. Hier hat zwischenzeitlich ein Teil des Personals gewechselt, was
jedoch nicht weiter tragisch ist, denn die neuen Kandidaten sehen allesamt mehr
oder weniger genau so aus wie ihre Vorgänger. Zumindest für meinen ungeschulten
Blick.
Ich kneife die
Augen zusammen und gucke noch einmal genauer zu den Muskeljungs rüber. Doch so
sehr ich mich auch bemühe, sie diesmal als potentielle Individuen wahrzunehmen,
so will es mir nicht recht gelingen – sie sind mir schlichtweg zu egal. Was
einerseits traurig, andererseits aber wahrscheinlich auch besser ist. Oder soll
ich wirklich noch eine Baustelle aufmachen, ganz nach dem Motto der A 40:
Auf eine mehr oder weniger kommt es auch nicht mehr an? Nee, nee, das lassen
wir lieber! Ich nehme noch einen tüchtigen Schluck und setze zur letzten
Viertelstunde an. Und danach haben Astrid und ich uns den Whirlpool mehr
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