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Liebe 2.0

Liebe 2.0

Titel: Liebe 2.0 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mareike Giesen
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gehört.
     
     
     
     
     
     
     
     
     

Zweiunddreißig
    Es ist zum aus-der-Haut-fahren!
Völlig frustriert sitze ich vor meinem Romanfragment und bin – mal wieder –
kurz davor, alles hinzuschmeißen. Die letzten Wochen waren die reinste
Achterbahnfahrt, und dabei wird mir auf den Dingern doch immer speiübel. Dazu
kommt das enervierende Gefühl von PPMS – permanent prämenstruellem
Syndrom. Was bedeutet, dass ich nicht nur mir selbst, sondern auch meiner
Umwelt tierisch auf die Nerven gehe. Ich kann gar nicht genau sagen, wann ich
mit Astrid, abgesehen vom unverbindlichen Kollegen-Talk im Sender, das letzte
Mal wirklich geredet habe. Und auch sonst komme ich mir sozial ziemlich
isoliert vor. Einziger Beistand ist mein Mailbox-Onkel Martin, doch
wahrscheinlich ist es nur eine Frage der Zeit, bis auch er mich aufgibt. Es sei
denn, ich ergebe mich freiwillig…
    Unruhig scrolle
ich die letzten Seiten hoch und überfliege das Geschriebene. Das liest sich so
was von bescheuert! Aber wie kommt das? Ich meine, wieso ist heute alles Mist,
nachdem ich gestern noch so gut drauf war und meine Idee gar nicht mal
schlecht, die Formulierung stellenweise sogar richtig gelungen fand? Ich muss
an Martins Äußerungen zum Instinktverhalten denken, und plötzlich überkommt
mich das dringende Verlangen, mein digitales Baby aus tiefster Überzeugung,
dass es zu schwach ist für diese Welt, einfach aufzufressen. Machen Tiere das
nicht genauso? Und dann tun sie so, als sei weiter nichts gewesen. Und der
Alltag nimmt seinen Lauf. – Alltag? Brrr…! 
      Möchten Sie
diese Datei wirklich unwiderruflich löschen? Ja. Ein Knopfdruck, und es
wäre erledigt. In unserem technisierten Zeitalter ist Töten so einfach. Und
trotzdem hindert mich etwas daran, diesen Schritt zu tun. Stattdessen meldet
sich ein zivilisierter Restbestand in mir zu Wort, zwar eingeschüchtert von
meinen kannibalischen Gelüsten, doch laut genug, dass ich gewillt bin, ihm kurz
Gehör zu schenken. Eine Minute, nicht mehr.  
    Es muss eine
andere Lösung geben. Schlaf noch einmal drüber. Du bist heute nun mal nicht gut
drauf. Was meinst du, wie es anderen geht? Denkst du, bei denen ist alles von
Anbeginn perfekt? Stell dich nicht so an! Wenn du jetzt schon so rumjammerst,
wie willst du überhaupt vorankommen? Langsam gewinnt die Vernunft an Stärke
und schüchtert meinen Zerstörungstrieb ein. Mann oder Memme? Willst du
Schreiben oder nicht? Na also! Dann tu es auch! Stell dich deinen Schwächen.
Löschen ist einfach, Wegrennen kann jeder. Besserwerden, das ist der Trick! Gib
dir eine Chance. Du magst doch Herausforderungen – da hast du sie! Du kannst es
schaffen. Du musst nur wollen… Fast fühlt es sich so an, als hätte ich
mittlerweile meinen ganz persönlichen Martin Egger in mir drin. Einen Coach,
der mir aus der Ecke des Rings immer wieder Tipps zubrüllt, die ich nur in die
Praxis umsetzen muss. Nur . Dass ich nicht lache! Haha. 
    Trotzdem lasse
ich es fürs Erste gut sein. Ich speichere mein Ungeborenes fürsorglich ab und
fahre den Laptop runter. Draußen ist es noch hell, und wenngleich es nicht gerade
gemütlich aussieht, habe ich doch das dringende Bedürfnis, umherzulaufen. Ohne
groß darüber nachzudenken, wohin ich überhaupt gehen will, ziehe ich mir
Stiefel und Mantel an und trete vor die Tür. Es ist kalt geworden. Tatsächlich
werde ich heute wohl das erste Mal meinen Schal brauchen und ihn nicht wie
sonst nach den ersten paar Metern schweißgebadet abwickeln und in der Tasche
verstauen.  
    Ich laufe die
Straße hinunter, deren Bäume mittlerweile vollständig abgestorben wirken, und
denke über das Leben nach. Irgendwie erscheint es mir vermessen, mir am PC
fremde Existenzen ausdenken zu wollen, wenn ich nicht einmal genügend Energie
aufbringen kann, mein eigenes Dasein zu regeln… Ich meine, momentan bekomme ich
ja nicht mal die menschlichen Grundbedürfnisse auf die Reihe: Essen, Schlafen,
Liebe – alles ist verkorkst! Statt mit einem netten Mann Zärtlichkeiten
auszutauschen, umarme ich lieber die Kloschüssel, und statt mir romantische
Träume zu gönnen, hält mich mein nach Essen und Liebe ausgehungerter Körper bis
spät in die Nacht wach. Wenn das so weiter geht, hat sich das Thema Männer eh
erledigt, denn es braucht vielleicht noch zwei bis drei Kilos weniger, und ich sehe
so richtig beschissen aus… Ich schnaube eine Atemwolke in die kalte Winterluft.
Als ob das mein Hauptproblem wäre!
    Es heißt, die

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