Liebe 2.0
ist bis in die kleinste Windung elektrisiert,
während mein unausgelasteter Körper im Gegenzug darum bettelt, einen Teil der
Anspannung übernehmen und abbauen zu dürfen. Eigentlich keine schlechte Idee.
Und als besonderes Leckerli für heute rufe ich Astrid an und umgarne sie, mich ins
Fitnessstudio zu begleiten.
Dreißig
Astrid steht schon vor dem B&C -Studio,
als ich an der gegenüberliegenden Straßenseite aus der Bahn steige. Ihr
akkurater Bob wird von dem milden, beinahe föhnigen Wind durcheinander
gewirbelt, während sie gelangweilt auf die Plakate mit den Versprechen von
einem besseren Leben ohne Übergewicht starrt. Ehrlich gesagt war ich positiv
überrascht, dass sie auf meinen Vorschlag, zu einem gratis Schnuppertag mitzukommen,
überhaupt eingegangen ist – und das auch noch am heiligen Sonntag, dem Tag des
Nichtstuns. Andererseits kann ja nicht jeder so faul sein wie meine Familie,
die bekanntlich lieber ihr Spielzeug trainieren lässt, als selbst zu schwitzen.
Dabei ist es nicht so, dass sich bei uns niemand für Sport interessiert, o
nein! Papa zum Beispiel ist total fußballbegeistert – aber eben nur als
Zuschauer. Kurioserweise sieht er dabei nach Abpfiff schlimmer aus als ein
gefaulter Stürmer, weil er die schlechte Angewohnheit hat, sich aus Wut und
Empörung über abgeprallte Bälle und Fehlentscheidungen des Schiedsrichters so
heftig auf die Schenkel zu schlagen, dass sie grün und blau anlaufen. (Und es
ist schon besser geworden! Papa hat mir mal erzählt, dass er früher, als
Jugendlicher, vor Länderspielen nicht schlafen konnte. Er hatte richtiges
Bauchweh, als stünde eine wichtige Klassenarbeit bevor…) Nicht auszudenken
also, was passieren würde, wenn mein Vater jemals selber auf dem Spielfeld stünde!
Leise lächelnd
gehe ich auf Astrid zu. „Fein, dass du Zeit hattest!“ Ich umarme sie kurz.
„Du sagtest, die hätten auch einen Whirlpool?“, lautet Astrids einzige
Entgegnung, und während ich die Tür aufstoße und ihr den Vortritt lasse, bin
ich doch sehr gespannt, was mich die nächsten zwei Stunden erwartet.
Nachdem ich am Empfang erst meine
eigene Karte, dann den Promotion-Gutschein und zu guter Letzt auf Astrid
gezeigt habe, machen wir uns auf den Weg in Richtung Umkleiden. Es ist schon
komisch. Obwohl ich nach meinem Flirt-Training mit Max schon öfter wieder
alleine hier war, erscheint es mir immer noch so, als sei es erst gestern
gewesen, dass wir uns auf den Matten gegenübergesessen und in mehrfacher
Hinsicht angeheizt haben. Es hat schon echt Spaß gemacht, das muss ich zugeben.
Doch jetzt ist nicht der richtige Zeitpunkt, um sentimental zu werden.
Stattdessen konzentriere ich mich voll auf das bevorstehende Training und
scanne hierfür das Publikum, denn wenn man schon keinen attraktiven
Trainingspartner dabei hat (sorry, Astrid, das ist jetzt nicht so gemeint, wie
es klingt), ist es durchaus hilfreich, sich seine Motivation für ein bisschen
Fettverbrennen von woanders her zu holen. Und tatsächlich erblicke ich in der
einen Ecke ein paar junge Herren mit wohlgeformten Waden und Oberarmen, die
sich gegenseitig abwechselnd beim Hantelheben begutachten und dabei ihre
Protein-Shakes schlürfen. Im wahren Leben nicht mein Fall, aber fürs Gucken:
ideal!
„Also“, wende
ich mich diplomatisch an Astrid. „Natürlich hast du vollkommen Recht, dass wir
uns in erster Linie entspannen sollten. Bin ich ganz für. Aber…“, füge ich an,
als Astrid schon enthusiastisch nickt, „Entspannen macht ja erst so richtig Spaß, wenn man sich vorher ein bisschen verausgabt hat, nicht wahr?“ Ich kann
selber kaum glauben, was für eine linke Tour ich hier abziehe, und auch Astrid
ist empört.
„Du klingst
schon genau wie diese Sektenmitglieder!“, mault sie, aber ich lasse mich nicht
beirren.
„Schau mal, da
vorne sind ein paar ganz feine Cardio-Geräte, und während du strampelst oder
läufst, kannst du sogar fernsehen!“ Beifall heischend ziehe ich die Augenbrauen
hoch, doch Astrid ist weiterhin skeptisch. Mir bleibt nur noch mein Joker: „Und
wenn dir das Programm dort nicht zusagt, hast du immer noch die Liveshow…“
Damit lenke ich
Astrids Blick auf die Männergruppe in der Ecke. Und das wirkt. Ich merke
förmlich, wie es in ihrem Gehirn arbeitet, und um das Ergebnis zu
beschleunigen, neige ich mich verschwörerisch an ihr Ohr. „Wer weiß, wie lange
die da noch rumstemmen“, flüstere ich, und Astrid durchzuckt ein kleiner
Schauer.
„Ohhh,
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