Liebe 2.0
möglichst glaubwürdige Antwort, fern von Wahrheit und
Waschbären. Ist das schwer!
„Nein, wieso?
Glaubst du nicht, ich hätte dir davon erzählt?“ Während ich das sage, kann ich
Astrid nicht einmal ansehen. Warum zum Kuckuck haben meine Eltern mich bloß so
gut erzogen?! Jonas konnte lügen, dass sich die Balken bogen und ohne mit der
Wimper zu zucken. Sein Vater war in der Politik, weshalb Jonas immer sagte, er
habe die Kunst des Flunkerns quasi in die Wiege gelegt bekommen. Ich dagegen
werde auch nach zwölf Jahren Lehre beim Meister rot und fange an zu stottern,
wenn es nur darum geht, in der Fußgängerzone irgendwelche Vereine zum Schutz
arbeitsloser Investmentbanker abzuspeisen.
Astrid blickt
immer noch etwas unzufrieden drein, erkennt aber schließlich, dass aus mir nichts
mehr herauszubekommen ist. Spontan taucht sie ganz unter und lässt mich eine
halbe Ewigkeit alleine an der Oberfläche zurück, als würde sie mir Zeit geben
wollen, darüber nachzudenken, was ich getan habe – jetzt oder aber auch
generell in den letzten paar Wochen. Als sie dann jedoch wieder auftaucht,
wirkt sie wie verwandelt, lehnt sich lässig an den Beckenrand und plaudert
munter über ihre letzten Bewerbungsversuche und neue Ideen für Sendekonzepte.
Ich meine mich zu erinnern, dass Astrid mir erzählt hat, sie würde meditieren.
Vielleicht sollte ich das auch mal versuchen. Es scheint echt zu entspannen.
„Ehrlich, so
etwas wie das letzte Twilight -Wochenende, das ist schon eine feine
Sache, das muss man Sven lassen“, lenkt Astrid da das Gespräch mit einem Mal
wieder in gefährliches Fahrwasser. „Sicher, das Ganze ist ein bisschen albern,
aber im Gegensatz zu den meisten anderen affigen Aktionen von Totallokal zeigt
es immerhin Erfolg. Die Umfragewerte haben sich enorm verbessert – und irgendwie
war es doch auch lustig. Es liefen sogar ein paar passable Typen dort herum. Oder
was meinst du? “
Wieder dieser
durchdringende Blick von der Seite. Was ist das hier – die Spanische
Inquisition? Ich versuche den Angriff nach vorne. „Ja, sicher“, ich lache
verkrampft. „Schade nur, dass ich so früh gehen musste! Hätte zu gern auch den
Rest vom Abend mitgekriegt…“
„Ja, wirklich
bedauerlich!“ Astrid wiegt nachdenklich ihren Kopf. „Nun, aber es sah ja
immerhin ganz danach aus, als hättest du ein gutes Alternativprogramm gefunden…“
„Was?!?“ Jetzt
ist es an mir, mich fast am Chlorwasser zu verschlucken.
„Na, Max war
doch auch da!“ Es folgt ein unschuldiger Augenaufschlag. „Das weißt du ja
selbst am Besten, schließlich habe ich euch an der Säule gemeinsam stehen sehen,
als es zum zweiten Teil geklingelt hat. Und dann hat Max auch noch kurz nach
Beginn der Vorstellung deinen Mantel abgeholt…“
Ertappt. Hier
komme ich wohl nicht so leicht wieder heraus. Und bevor Astrid noch plötzlich
eine Eiserne Jungfrau aus dem Blubberbecken hervorzieht und mich darin
einsperrt, antworte ich ihr lieber.
„Ach so, das
meinst du… Ja, das war echt ’ne blöde Sache!“ Verlegen kratze ich mich am
Hinterkopf. „Ich hatte den Sekt nicht vertragen, deswegen konnte ich nicht mehr
weiter mitmachen. – Noch mal sorry, Süße, ich wollte dich nicht hängen lassen!“
„Weiß ich doch“,
beruhigt Astrid mich. Und scheint es ernst zu meinen, genau wie ich. Aber ihr
Blick bleibt weiterhin abwartend, als sei sie nicht gewillt, mir den zweiten
Teil der Erklärung wegen guter Führung zu erlassen.
Ich seufze
gequält. „Max hat mitbekommen, dass es mir nicht so gut ging. Und da hat er
mich netterweise nach Hause gebracht. Und das war’s. Mehr nicht!“
In der Tat: Das
war’s. Mehr nicht. Die Wahrheit kann so einfach sein.
Astrid scheint
von diesem Geständnis etwas enttäuscht, und ich gebe zu, dass sie da nicht die
Einzige ist. Stumm sehen wir den Blubberblasen beim Platzen zu, dann setzt
Astrid noch einmal neu an. „Das war aber nett von ihm.“
„Er ist halt
nett“, antworte ich.
Und dann
schweigen wir wieder.
Nachdem ich
meiner Aussage nichts weiter hinzuzufügen habe, steht Astrid schließlich abrupt
auf. Ihre Geduld ist am Ende. Mit ausladender Geste reicht sie mir ihre Hand,
und als ich mich ebenfalls erhebe, scannt ihr streng-mütterlicher Blick meinen
schmal gewordenen Körper. Dann ist es an ihr, zu seufzen. „Okay, belassen wir
es für heute damit. Ich hab Zeit. Wenn du reden willst – du weißt, ich bin da.“
Merkwürdig.
Irgendwo habe ich das letztens schon einmal
Weitere Kostenlose Bücher