Liebe 2.0
schon ansprichst… Du und Max, hmmm? Hast du mir vielleicht irgendwas zu
sagen?“ Wie locker ich das bringe. Ich bin echt beeindruckt!
Als hätte sie
nur auf ein Stichwort gewartet, schaut Astrid zu mir hoch, und ihr Blick
gewinnt plötzlich eine Nüchternheit, die mir Angst macht. „Nein… Es sei denn, du hast mir vielleicht etwas zu sagen…?“ Provozierend und fast schon
feindselig guckt sie mich an.
Okay, es handelt
sich definitiv um ein Spiel! Aber um herauszufinden, welches, bin ich leider zu
betrunken. Was zum Henker meint sie jetzt damit ? Im Gegensatz zu Astrid
laufe ich weiterhin auf Sparflamme, und ich hoffe, dass sie der Fairness halber
bald auf meinen Level zurückkehrt. Was soll der Stress? Wir haben doch das Fest
der Liebe. Hat der Besoffene da vorne gerade eben noch gesagt!
Ich reiße mich
zusammen und versuche, soviel Festigkeit wie möglich in meine Stimme zu legen.
„Nein, habe ich nicht.“
„Gut.“ Astrid lässt von mir ab, zuckt mit den Schultern und lächelt fein.
„Dann ist ja alles geklärt. Noch eine Feuerzangenbowle?“ Ihre Stimme klingt
plötzlich wieder punschsüß, und ich nicke benommen. Zum ersten Mal in meinem
Leben dämmert es mir, warum Männer aus Frauen nicht schlau werden. Sind wir
eigentlich immer so ätzend?
Nach zwei weiteren Bowlen und (zum
Ausgleich) einer dicken Portion von meinem eigens geschichteten Trifle erreicht
die Stimmung ihren Höhepunkt – Zeit, die Geschenke auszupacken. Was für ein
Chaos! Die glatzköpfige Katja bekommt von Marek eine bunte Rastafari-Mütze mit
angenähten Dreadlocks überreicht, Astrid darf sich über eine handsignierte
Boris Becker-Biographie freuen, und Sven hält ratlos Frau Kreuzer-Almpfühls
Löffelmobile in die Höhe.
„Das ist
Kunst!“, kläre ich ihn auf, doch irgendwie scheint er mir nicht zu glauben. Na,
dann halt nicht. Ungeduldig zerre ich das Packpapier von Astrids Geschenk und
halte kurz darauf eine erblindete CD-Hülle in der Hand.
„ Hoobastank: The Reason …“, lese ich und gucke jetzt wahrscheinlich ähnlich dumm aus
der Wäsche wie eben noch Sven. Was soll ich denn damit? Das Cover zeigt einen
Mann in einer weißen Zelle. Eine Irrenanstalt vielleicht? Als kleine Anspielung
auf unseren alltäglichen Wahnsinn im Sender? Ich kneife meine Augen zusammen
und schaue genauer hin. Irgendwie kommt mir das Cover bekannt vor. Aber ich
habe keinen Schimmer, wann und wo ich es schon einmal gesehen haben könnte.
„Ich habe mir
gedacht, das ist vielleicht ganz gut, damit du endlich einmal anfängst, andere
Musik zu hören. Statt immer diesen depressiven Weltuntergangskram“, klärt
Astrid mich auf und rutscht näher. „Für mich sind die nicht das Richtige. Aber
für dich schon. Da bin ich mir sicher. Hör einfach mal zu, die haben echt was
zu sagen!“
Eigentlich halte
ich nichts davon, mir anderer Leute Musikgeschmack aufzwingen zu lassen, doch
ich ringe mir ein Lächeln ab. „O-kay, wenn du meinst… dann… Danke!“ Ich umarme
Astrid unbeholfen, und es fühlt sich komisch an. Obwohl zwischen uns nach außen
hin alles aussieht wie immer, wissen wir beide doch, dass dem nicht so ist.
Plötzlich wird Astrids Umarmung fester. „Gib ihnen doch eine Chance.“ Sie
flüstert fast. Und dann wendet sie sich abrupt wieder ab, leiht sich Katjas
neuen Hut und vertieft sich in die ersten Seiten von Augenblick, verweile
doch , während ich konsterniert zurückbleibe. Was war das denn jetzt
schon wieder? Ich schüttele den Kopf. Weiber!
Zwei Stunden später lande ich
ziemlich ausgepowert auf meinem Bett – allein, versteht sich. Denn spätestens
als Thomas anfing, mit erhobenem Mistelzweig die Reihe sämtlicher Kolleginnen
abzuschreiten, war der Zenit deutlich überschritten und die Party vorbei, zumindest
für mich. Weil bald Weihnachten ist, habe ich mir ein Taxi gegönnt. Und wo ich
gerade in spendabler Stimmung bin, stelle ich außerdem meinen Wecker zwei
Stunden nach hinten. Da Mama sicherlich völlig damit ausgelastet sein wird,
Tristan zu betuddeln und Clara zu bespaßen, reicht es völlig aus, wenn ich erst
gegen frühen Abend zu Hause antanze. Und jetzt wird geschlafen. I’m dreaming
of a white Christmas…
Vierzig
Ich kann mich noch ziemlich gut daran
erinnern, als ich vier Jahre alt war und mit meinen Eltern nach England gereist
bin. Wir haben damals die Fähre genommen, und beinahe wäre der gesamte Trip
kurzfristig ins Wasser gefallen, weil ich unbedingt krank werden musste. Keine
fünf Minuten,
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