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Liebe 2.0

Liebe 2.0

Titel: Liebe 2.0 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mareike Giesen
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-grünen Strickkleid könnte man meinen, ich
sei direkt aus der Werkstatt des Weihnachtsmanns entflohen.
    Astrid guckt
mich immer wieder irritiert von der Seite an, sagt aber nichts. Zwischen uns
herrscht ein unausgesprochener Waffenstillstand, der auf die ebenso
unausgesprochene Kriegserklärung gefolgt ist. Und als wir gegen halb neun das
Großraumbüro betreten, wissen wir, dass wir gut daran getan haben, uns wieder
zusammenzuraufen: Wir müssen einander beistehen, und sei es nur für diesen
einen Abend.
    Unsere
tagtägliche Folterkammer ist kaum wieder zu erkennen. Überall glitzert und
blinkt es – goldene Kugeln hier, ein singender Weihnachtsmann da… und in einer
Ecke steht sogar ein aufblasbarer Weihnachtsbaum.
    „Reizend. Genau
so stelle ich mir Weihnachten im Puff vor“, murmelt Astrid, als wir tapfer
unseren Weg zum Buffet bahnen und unsere milden Gaben (Kartoffelsalat und
English Trifle) abladen.
    Ich muss nervös
grinsen, halte den Blick aus Furcht vor einem epileptischen Anfall durch die
ganzen flackernden Lichter jedoch gesenkt. Erst nach einer Weile werde ich
mutiger – und neugieriger. Und es gibt Einiges zu sehen! Ausgerechnet Nathalie,
die Gewitterwolke vom Dienst, trägt heute 90er-Jahre-Disko-Glitzermakeup und
strahlt mit dem Adventskranz um die Wette. Dazu verteilt sie an jeden, der neu
herein kommt, kleine Mistelzweige – wofür auch immer die gut sein sollen.
Vielleicht für gezieltes Anbaggern und Abknutschen zu später Stunde? Herrje! Da
können wir ja gleich Flaschendrehen spielen…
    Prompt hält sich
Astrid ihr Zweiglein über den Kopf und dreht sich mit verzücktem Blick und
gespitzten Lippen zu mir um. Offensichtlich ist sie trotz aller Vorbehalte
gegen betriebliche Weihnachtsfeiern bereits infiziert, doch ich habe nicht vor,
mich ebenfalls anstecken zu lassen. Liebevoll, aber bestimmt, entwende ich ihr
den Mistelzweig, bevor sie damit noch ein Unheil anrichtet und etwa zu Sven
durchmarschiert. 
    „Astrid,
ehrlich, ich bin geschmeichelt. Aber wir hatten das doch schon: Du und ich –
das passt einfach nicht zusammen. Wir sind zu gleich! Wir sind unterschätzt und
unterbezahlt. Wir träumen heimlich davon, wie Miley Cyrus erst das
Disney-Imperium und anschließend die Weltherrschaft an uns zu reißen. Wir
hassen unseren Job. Wir lieben Hochprozentiges. Und last but not least stehen
wir nun einmal beide nicht auf Frauen. – Auch wenn das in Svens Tagträumen
vielleicht anders aussehen mag!“
     Seufzend
schüttelt Astrid den Kopf. „Leider wahr!“ Aber dann bekommen ihre Augen schon
wieder ein freches Glitzern. „Apropos nicht-auf-Frauen-Stehen: Hast du Timon
schon gesehen? Er sieht aus wie eine schwule Zuckerstange!“
    Wie bitte?!
Lachend suche ich den Raum ab und entdecke unseren Kollegen, der diesem Abend
in der Tat einen Hauch von Christopher Street-Day verleiht. Aber warum auch
nicht? Sein rot-weiß geringeltes Netz-Ensemble sieht alle Mal besser aus als
Svens spießiger Strickpullover, mit dem er Colin Firth in Bridget Jones Konkurrenz machen könnte. Fast bin ich ja versucht zu glauben, dass der
glotzende Elchkopf ein ironisches Statement geben soll –aber soviel Humor traue
ich Sven schlichtweg nicht zu. Ganz anders sieht es da schon mit Marek aus: Der
hat in jede seiner Dreads ein kleines Glöckchen gewunden und headbangt nun mit
der (ihrerseits komplett kahl geschorenen) Katja alias Sinead O’Connor zu Last
Christmas . Womit wieder einmal deutlich wird, dass es beim Radio kein
Schwein interessiert, wie du aussiehst und was du in deiner Freizeit machst. Na
denn: Prost!
    Rasch legen wir
noch unsere Schrottwichtel-Geschenke zu den anderen unter den
Gummi-Weihnachtsbaum, dann steuern Astrid und ich auch schon gezielt die
Punschschüssel an, vor der wir auf einen schwitzenden Thomas treffen.
    „Ist dir nicht
gut?“, frage ich ihn besorgt, doch Thomas schüttelt abwehrend den Kopf. Eifrig
füllt er drei vor sich stehende Kaffeetassen mit seinem berüchtigten Selbstgebrauten
und reicht zwei davon an uns weiter.
    „Zum Wohl!“,
ruft er daraufhin etwas zu laut, und stößt mit Astrid und mir an. Sein Gesicht
leuchtet so rot wie der Glühwein, was wohl daran liegen mag, dass Thomas den
ganzen Abend über pflichteifrig jedem zuprostet, der sich auch nur in die Nähe
seiner Schüssel wagt – fast wie bei Dinner for One . Aber wie sagt man so
schön? Dienst ist Dienst und Schnaps ist Schnaps . Und eine
Weihnachtsfeier ist Dienst am Schnaps, sage ich. Also lasse ich

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