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Liebe 2.0

Liebe 2.0

Titel: Liebe 2.0 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mareike Giesen
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hätte über die dramatische Pose hinweg
völlig vergessen, was er eigentlich sagen wollte, findet er zurück in die Spur.
Na ja, zumindest mehr oder weniger.
    „Ihr seid meine
Freunde!… Die einzigen Menschn, denen ich… schluchz!... noch was bedeute!“ Wie
eine Filmdiva klimpert Manuel jetzt mit den Augen und nimmt einen tiefen
Schluck aus der fast leeren Flasche. Einatmen – ausatmen. Die Masse wird
unruhig. War’s das jetzt?
    „UND DESHALB
WILL ICH EUCH DANKEN!!!“, brüllt Manuel plötzlich. „Und euch daran erinnern,
dass es nichts Wichtigeres gibt, als die Liebe… – AUF DIE LIEBE!“ Er nimmt noch
einen Schluck, und beschämt heben auch wir unsere Tassen.
    „Auf die Liebe“,
murmeln Astrid und ich.
    „Denn LIEBE…!“
Manuel erhebt mahnend den Zeigefinger, wobei er fast das Gleichgewicht
verliert. „Liebe… ist alles… DRUM…!“ Er wird wieder lauter, während er wie
Santa Clause in seiner Umhängetasche herumkramt, „drum lass’ ich euch die hier, damit ihr die Liebe weiterverbreiten könnt!“
    Und mit diesem
Worten wirft Manuel allen Ernstes eine handvoll Kondome in die Luft, als wäre
das hier wirklich der Christopher Street-Day. Astrid fängt kreischend eines
auf, und auch die anderen können langsam aber sicher nicht mehr an sich halten.
Es folgt ein Pfeifen und ein Johlen, so dass Manuels abschließende Worte kaum
noch zu verstehen sind. „Ich brauchse nich mehr – macht ihr das Beste drausss!“
    Und darauf stoßen wir alle an.
    Nachdem Katja die liegen gebliebenen
Kondome kurzerhand in einer leer gegessenen Plätzchendose verstaut hat, wendet
sich jeder wieder seinem Gesprächs- bzw. Tanzpartner zu. Die CD ist
mittlerweile bei Feliz Navidad , dem wohl nervigsten Weihnachtsohrwurm
überhaupt, angekommen, und Astrid trällert ihn aufgedreht und mit falschem
spanischen Akzent mit. Ich dagegen starre weiterhin Manuel an, der mittlerweile
auf einem Stuhl abseits der Tanzfläche Platz genommen hat und selbstvergessen
auf einem Lebkuchenherz kaut. Keine Frage: Der Mann ist ein Wrack. Und das
nicht aufgrund des Alkohols. Was kann das Nervengift denn dafür, dass man Manuel
zuvor das Herz herausgerissen hat? Vielleicht schalten wir mit ihm lieber eine
Anti-Liebes-Kampagne: Kenn dein Limit! Keine Macht der Zweisamkeit! Es
ist schon erschreckend, was Liebe anrichten kann. Teufelszeug, das! –
Andererseits muss ich Manuels Geste seinen Kollegen gegenüber durchaus
anerkennen. Denn falls noch einmal jemand auf die glorreiche Idee kommen
sollte, es mit einem Praktikanten im Büro treiben zu wollen, ist für alles
gesorgt.
    Auch Astrid
scheint zu überlegen, welchen ihrer Kontakte sie demnächst intensivieren
könnte, und dreht nachdenklich ihr Kondom in den Händen. „Mal sehen… Für wen
könnte ich das wohl gebrauchen… Hmmm…“ Betont gründlich scannt sie die Menge,
um dann langsam aber entschieden den Kopf zu schütteln. „Nein, hier wäre kein
geeigneter Kandidat. Zumindest nicht mehr. Seit Max weg ist, hat die Redaktion
eindeutig an Attraktivität verloren. Meinst du nicht auch?“
    Mich überläuft
ein altbekannter Schauer, aber ich versuche, das Ganze mit einem gleichgültigen
Achselzucken zu kaschieren. „Wenn du meinst…“
    „Sicher, er ist
ein bisschen jung“, fährt Astrid unbeirrt fort. „Aber irgendwie auch süß. Wie
er wohl im Bett ist?“ Dabei kratzt sie sich mit dem Präser an der Stirn, als
könnte das ihre Phantasie anregen. 
    Ich versuche,
einen klaren Kopf zu bewahren, was angesichts meines bisherigen Punschkonsums
gar nicht so einfach ist. Der Alkohol vernebelt mir derart die Sinne, dass ich
nicht genau sagen kann, wie viel von Astrids Gerede nur Spiel ist. Und als sei
das nicht schon kompliziert genug, melden sich zusätzlich auch noch ein paar
Gefühle zurück, die ich im nüchternen Zustand längst der Landesgrenze verwiesen
habe. Sie haben sich Mut angetrunken und versuchen nun, mich zu überrumpeln.
Allen voran preschen die altbekannten Rädelsführer Wut und Eifersucht, aber
auch die weinselige Trauer kann ich erkennen – folglich kann ihr Komplize, die
Reue, auch nicht weit sein. Na großartig! Wenn ich nicht aufpasse, kann ich
mich gleich zu Manuel stellen und an seine Rede anknüpfen. Aber das muss nicht
sein. Wir hatten das schon. Dieses Kapitel ist abgeschlossen. Ein. Für. Alle.
Mal.
    Von mir selbst
in die Ecke gedrängt, gehe ich schließlich auf volle Konfrontation und hoffe,
dass Astrid mir mein Pokerface abnimmt.
    „Ach ja, wo du
es

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