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Liebe 2.0

Liebe 2.0

Titel: Liebe 2.0 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mareike Giesen
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Thomas
sein Vergnügen und tue mich selber am Alkohol gütlich.
    Während der
zuckersüße Rum sich in meine Kehle brennt, checke ich die Runde und stelle
überrascht fest, dass wirklich keiner fehlt. Selbst die Nazi-Praktikantin ist
erschienen und futtert glückselig Gratis-Zimtsterne in sich hinein. Es sei ihr
gegönnt. Überhaupt empfinde ich die Atmosphäre derzeitig als durchaus angenehm.
Es ist so friedlich! Verlogen, aber friedlich! Entgegen seiner berüchtigten
Homophobie tätschelt Sven Timon im Gespräch kameradschaftlich die Schulter.
Britta läuft trotz aller Kastenvorbehalte eilfertig von Keksschale zu
Keksschale und sorgt selbstlos dafür, dass kein Praktikant Hunger leiden muss.
Und Manuel, bekennender Teetrinker, umarmt zärtlich eine Wodkaflasche… Moment
mal! Irritiert geht mein Blick zurück in die Ecke, in der ein
zusammengesunkener Manuel abwesend vor sich hinstarrt. In der einen Hand hält
er besagte Flasche, mit der anderen nestelt er unbeholfen an einer
Weihnachtsmannmütze herum, die ihm in die Stirn gerutscht ist und damit den
Eindruck seiner tragikomischen Gestalt noch verstärkt. Er sieht wirklich
erbärmlich aus – das ideale Motiv für eine Keine Macht den Drogen -Kampagne.
    „Du“, ich stupse
Astrid von der Seite an, „was ist denn mit Manuel los?“
    Astrid folgt
meinem Blick. „Ach herrje, der Ärmste!“, ruft sie erschrocken aus, um dann ihre
Stimme zu dämpfen. „Hast du es nicht gehört? Er hat mal wieder mit dieser Tussi
vom Anzeiger Schluss. Wie hieß die noch mal… Janet? Jennifer? – Nun,
zumindest ist der seit vorgestern zu nichts mehr zu gebrauchen. Wundert mich
ernsthaft, dass er überhaupt gekommen ist. Der arme Schatz!“ Astrid legt den
Kopf schief, als sähe sie einen kleinen Vogel mit gebrochenem Flügel vor sich,
um sich dann in der nächsten Sekunde beherzt einen Löffel Nudelsalat in den
Mund zu schieben.
    „Aber das ist
doch nichts Neues“, wende ich ein. „Ich meine, die beiden sind mit ihrem Hin
und Her doch schlimmer als Lothar und Liliana!“
    Astrid nickt
kauend, gestikuliert dabei aber derart hektisch mit dem Plastikbesteck, dass
ich weiß, dass noch was nachkommt. „Ja, ja, eben!“ Sie schluckt hastig. „Das
sollte man meinen. Aber diesmal ist es wohl endgültig. Janet oder Jennifer hat
nämlich ein Angebot am anderen Ende der Bundesrepublik erhalten – Konstanz oder
Chemnitz oder so.“
    Janet oder
Jennifer, Konstanz oder Chemnitz… Ich frage mich, ob Astrid mir ähnlich
aufmerksam zuhört wie allen anderen. Aber nun gut, fairerweise muss ich
zugeben, dass ich in diesem Fall selbst überhaupt nichts mitbekommen habe.
    Als wüsste
Manuel, dass wir über ihn reden (was sehr unwahrscheinlich ist, denn ich
glaube, dass er in diesem Zustand nicht einmal merken würde, wenn ihm jemand
ein Nacktfoto von Rihanna unter die Nase hält), erhebt er sich im
Zeitlupentempo und schleppt sich auf die provisorische Tanzfläche. In deren
Mitte angekommen, richtet er sich schließlich zu voller Größe auf und scheint
etwas zu sagen. Seine Lippen bewegen sich, doch seine Stimme verhallt im Gerede
von seinen Kollegen und Mariah Careys All I want for Christmas ungehört.
Aber Manuel ist entschlossen. „Allemaherhörn!!!“
    Es wirkt. Die
Stimmen verstummen, sämtliche Köpfe wirbeln herum, und irgendjemand macht
geistesgegenwärtig die Musik leiser. Berufskrankheit. Manuels lallender
Unterton verrät selbst dem journalistisch ungeschulten Ohr, dass es interessant
wird – diese Aasgeier...! Vor Spannung vergesse ich fast das Atmen.
    Sobald Manuel
sich der Aufmerksamkeit seines Auditoriums sicher ist, stellt er sich in
Positur, die offene Wodkaflasche wie zu einem Toast erhoben, und hält eine
kleine Ansprache.
    „Meine liebn…
meine liebn Kollegn! Weihnachtn is das Fest der Liebe. Und so freu ich mich
ganz doll… hicks … dass ihr heut alle da seid, um mit mir zu feiern!“
    Astrid beugt
sich an mein Ohr. „Ach so… Ich dachte, das Ganze wäre wegen ’nem ganz anderen
Typen. Wie hieß der noch mal… Jesus?“
    „Schhhht!“ Ich
boxe Astrid tadelnd in die Seite, doch weder ihr Einwand noch mein nervöses
Kichern dringen zu Manuel durch. Der legt gerade eine bedeutungsschwangere
Kunstpause ein, zieht nachdenklich die Stirn kraus und blickt über unsere Köpfe
hinweg ans andere Ende des Raumes, als stünde dort jemand mit einer von diesen
übergroßen Papptafeln, ohne die Stefan Raab keinen einzigen Satz rausbekommt.
Doch gerade als wir denken, Manuel

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