Liebe am Don
Abendessen aß sie so gut gelaunt, als sei sie nie verwundet worden und habe viel Blut verloren. Nur im Hintergrund ihrer Augen lauerte Angst, aber niemand blickte ihr so tief in die Augen, daß man sie erkannte.
Das Duell hatte sie in eine unsichtbare Panik versetzt. Wie Bodmar glaubte auch sie nicht an einen Sieg, sondern sah Granja sich über den blutigen, zerhackten Körper Bodmars beugen. Das war ein Anblick, der ihr den Verstand raubte, der sie aus dem Bett trieb, der alle Schwäche von ihr fegte wie Staub.
Mit Kolzow war nicht zu reden, das hatte sie schon versucht. Er verweigerte ihr das Telefon im Dorfsowjet und damit die Möglichkeit, in Wolgograd diesen Wahnsinn, der am Sonntag stattfinden sollte, zu melden und zu verhindern. Auch Rebikows Telefon im Magazin war für sie gesperrt. Rebikow hatte bereits so viel in das Fest investiert, daß er kein Interesse an einem Scheitern hatte. Das gleiche war mit dem Kaufmann Kotzobjew, der seine Würstchenbude mit roten Tüchern geschmückt hatte, und auch Tutscharin, der Sarghändler, ließ sie nicht telefonieren. »Ob Granja oder Sascha … das ist mir egal, wer im Sarg liegt«, sagte er abweisend. »Ich habe noch nie eine so schöne Rose aus Holz geschnitzt –«
Nun saß Jelena am Tisch, während Evtimia in einer Zinkschüssel das Geschirr spülte, und starrte vor sich hin. Es gibt nur eine Möglichkeit, dachte sie, heiß bis ans Herz. Ich werde mich morgen früh zwischen die Kämpfenden stellen. Und ich werde mein Geheimnis lüften – ich werde ihnen meinen Ausweis vom KGB unter die Nase halten und im Namen Moskaus befehlen, auseinanderzugehen. Das kann ich verantworten, das ist ein Ausnahmezustand, dafür wird selbst Oberstleutnant Rossoskij Verständnis haben.
Sie blickte hoch, als Njuscha aus dem Schlafzimmer kam, das Haar hochgebunden, in einem dünnen Kleid, unter dem sie nackt war. Ihre Brüste zeichneten sich deutlich ab, der Schwung des Bauches zum Schoß, die Schenkel. Jelena schielte sie von unten herauf an und preßte die Lippen zusammen.
Wo geht sie hin, dachte sie. Trifft sie sich wieder mit ihm? Werden sie sich am Don im Ufersand vereinen, wälzen sie sich im Gras der Steppe, liegen sie im Schilfdickicht?
Evtimia spülte weiter und achtete nicht darauf, daß Njuscha das Zimmer verließ. Sie sah auch nicht auf, als Jelena ihr folgte, katzenhaft, lautlos, mit pochenden Adern an Hals und Stirn.
Draußen war die Nacht voll Duft und stiller Schönheit. Von der Steppe her und aus den Gärten wehten Hunderte Gerüche. Die Weiden atmeten, die Kirschbäume, der Wermut und der Steinklee, die Birken und die blühenden Gräser. Und man roch den Fluß … den breiten, jetzt wieder trägen Don, in dem der Widerschein der Sterne zerfloß zu hellen, glitzernden Flecken.
Jelena Antonowna sah Njuscha, wie sie langsam hinunter zum Fluß ging, mit schlenkernden Armen, wie ein junges Mädchen, dem der Übermut im Blut kocht. Sie schien keine Eile zu haben, aber sie tat auch nicht so, als erwarte sie Bodmar, oder als wüßte sie, daß er ihr folgte.
Im Schatten der Scheune blieb Jelena stehen und beobachtete Njuscha, bis sie über den Uferhügeln verschwand. Niemand ging ihr nach, kein anderer Mensch schlich heimlich zum Don. Da lief sie schnell um das Haus herum, duckte sich hinter die Büsche und entdeckte unter dem Kirschbaum im Garten Kolzow und Bodmar. Sie erzählten sich etwas, und Balwan, der Hund, lag vor ihren Füßen und schlief.
Sie ist allein zum Fluß, dachte Jelena. Sie will baden. Für sie ist das Duell morgen früh ein Fest. Oh, wie ich sie hasse!
Es war ihr, als würde in diesen Minuten ihr Wesen vertauscht. Als sie sich mit gleitenden, schnellen Schritten anschickte, Njuscha zum Don zu folgen, empfand sie eine unheimliche, böse Freude, jetzt mit der Rivalin allein in der Nacht zu sein, unbehindert von allen, nur mit den Sternen und dem Fluß als Zeugen. Zeugen, die schwiegen.
Njuscha war schon im Wasser, als Jelena auf der Uferböschung erschien und sich ins Gras setzte. Njuscha hatte das Kleid am Ufer abgelegt und badete nackt in den langen, anrollenden Wellen des Don. Ihr herrlicher Körper leuchtete schwach aus dem Schwarz des Wassers, als sie sich aufreckte, das mit beiden Händen geschöpfte Wasser über ihre Brüste rinnen ließ und mit den nassen Fingern ihren Leib massierte.
Im Schutz der Schatten glitt Jelena den Hang abwärts wie eine Schlange. Dann lag sie hinter einem Schilfbüschel, gleich einer Tigerin, die ihre Beute
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