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Liebe am Don

Liebe am Don

Titel: Liebe am Don Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Männern, wenn's sein muß. Wir müssen ihn zwingen. Ich will im Sattel sterben, Söhnchen –«
    Aber an diesem Tag hatte sich anscheinend alles gegen den alten Babukin verschworen. Man kennt so etwas: Plötzlich geht alles schief, man stolpert sogar über einen Regenwurm. Heute war es der Lagerverwalter Jelnikow von der Sowchose, der ins Dorf gekommen war, weil nach neuester Lage der Dinge der geplante sonntägliche Ausflug aller Arbeitsbrigaden nach Perjekopsskaja wieder abgeblasen worden war. Die Lastwagen konnten in den Garagen bleiben.
    »Wißt ihr es schon?« rief er gleich, als er ins Haus kam, denn man hatte ihm gesagt, Kolzow sei bei dem alten Babukin. »Granja ist weg!«
    Kolzow legte beide Hände über die Augen, als wolle er die Welt nicht mehr sehen. Babukin versteinerte zu einer Mumie.
    »Was heißt weg?« fragte Kolzow heiser.
    »Er ist mit dem Lastwagen, der jeden Tag Material von Wolgograd holt, in die Stadt gefahren. Wer kann ihn daran hindern? Er ist arbeitsunfähig, das sieht man ja. In Wolgograd wird er sich sicher ein Attest besorgen und einige Wochen wegbleiben.«
    »Was nun?« fragte Kolzow und stieß Babukin an. »Draußen wehen die Fahnen –«
    »Ich will im Sattel sterben, Söhnchen –«
    »Bind dir den Sattel auf den Rücken und trab selbst in die Steppe!« schrie Kolzow und sprang auf. »Es muß etwas geschehen.« Dann lehnte er sich an die Wand, während der Lagerverwalter Jelnikow zum Ofen ging, Wasser aus einem Kessel schöpfte und sich über das Gesicht rinnen ließ. Auch ihm war heiß geworden. »Wir müssen das Fest umfunktionieren«, sagte Kolzow mit geschlossenen Augen. Er dachte intensiv nach, er dachte – genaugenommen – an sein eigenes Dasein. »Jelnikow, du bist ein kluger Kopf, ich weiß es … gibt es irgendeine Sache, die man feiern kann? Einen Gedenktag, eine große Tat? Ein Jahresgedächtnis?«
    »Im Mai passiert immer wenig«, sagte Jelnikow. »Da hat man am Don andere Sorgen …«
    Man kam zu keinem Ergebnis. Die Dunkelheit nahm zu, der Abend kroch über das Land, Rebikow, der Schuft, beleuchtete mit seinen Scheinwerfern den Festplatz, sogar Vater Ifan war wieder da und veranstaltete eine Generalprobe. Mit dem großen Prozessionskreuz zog er feierlich und mit seinem tiefen Baß dröhnend singend in den Kampfkreis. Kolzow hielt sich die Ohren zu, rannte aus Babukins Haus, warf sich auf sein Pferd und galoppierte nach Hause.
    Und morgen war Sonntag –

V IERZEHNTES K APITEL
    Nach dem Abendessen nahm Kolzow mit ernster Miene Bodmar hinaus in den Garten und setzte sich mit ihm unter den Kirschbaum. Balwan, der Hofhund, legte sich zu ihren Füßen und schnarchte kurz darauf. Voll Neid sah Kolzow auf seinen Hund. Er kann schlafen, dachte er. Und mir hämmert das Herz in der Brust, als wolle es zum Hals hinaus. Bodmar hatte seinen Kosakensäbel mit hinausgenommen und klemmte ihn zwischen die Beine.
    »Üben wir wieder?« fragte er.
    »Hm –« antwortete Kolzow und sah hinauf in die Sterne.
    Bodmar kam sich äußerst ungemütlich vor. Wenn er an den kommenden Morgen dachte, an dieses sinnlose Duell, in dem er kaum eine Chance hatte bis auf die Möglichkeit eines Glückstreffers, spürte er eine große Übelkeit im Magen. Er fragte sich, ob das Angst sei, und er gab sich auch die Antwort darauf: Ja, es ist Angst. Nicht allein die Angst um das eigene Leben oder vor einer Verkrüppelung, denn schließlich konnte ihm Granja auch einen Arm abschlagen, sondern die Angst, Njuscha morgen zum letztenmal zu sehen. Es war eine Angst, die er bisher vor sich hergeschoben hatte wie das Datum vom 10. Juni, an dem seine Aufenthaltserlaubnis für die Sowjetunion, ablief. Noch immer hatte er die Hoffnung gehabt, mit seiner Bitte die strengen Gesetze im Kreml aufzuweichen und länger oder für immer in Rußland bleiben zu können. Man hatte so viele Ausnahmen mit ihm gemacht … warum sollte auch das nicht möglich sein? Er war ein völlig unpolitischer Mensch, er haßte Krieg und Gewalt, er wollte nur ein Mensch sein und ihm dünkte, das sei die höchste Form des Lebens, und man müsse das auch in Moskau verstehen.
    Nun aber nahte der Sonntagmorgen, und er empfand nach, wie es einem Menschen zumute ist, der in einer Todeszelle sitzt und weiß: bei Sonnenaufgang endet das Leben und jede Minute, die man jetzt noch lebt, ist eine unschätzbare Kostbarkeit.
    Jelena Antonowna war aufgestanden und fühlte sich wohl. Sie erholte sich immer erstaunlich schnell, wie Bodmar feststellte. Beim

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