Liebe am Don
sie! Haltet sie!« jammerte sie. »O Mutter Gottes! O Gottesmutter! Gib ihr Vernunft –« Sie rannte Njuscha nach bis ins Haus, und dort, im Schlafraum, fiel sie auf die Knie, hob die gefalteten Hände und schrie: »Bleib bei uns, Töchterchen! Bleib bei uns! Du tötest uns, wenn du weggehst! Dein Vater wird sich umbringen vor Kummer, ich werde mir das Herz aus der Brust weinen … ein Totenhaus wird's werden. Njuscha … mein Täubchen, mein Engel … ich liege vor dir auf den Knien … sieh deine alte Mutter an … hör sie weinen … hast du denn kein Herz mehr? … Wo ist deine Seele geblieben? … Njuscha, mein Seelchen … ich flehe dich an … deine Mamuschka …«
Sie kroch auf Njuscha zu, klammerte sich an ihrem Rocksaum fest und küßte ihre Knie, umfaßte ihre Hüften und drückte das zuckende Gesicht in ihren Schoß.
»Mein Engel –«, wimmerte sie dabei. »Mein silbernes Täubchen … du kannst uns nicht allein lassen … das kannst du nicht –«
Dimitri Grigorjewitsch fiel nicht auf die Knie und weinte … er handelte männlich. Er stürmte ins Haus, suchte in einer Schublade nach seiner alten Kosakenpistole, die er als verloren gemeldet hatte, die aber immer gut eingefettet ganz hinten in der Kommode lag, riß sie heraus und drückte den langen Lauf Bodmar gegen die Brust.
»Sieh her!« brüllte er und trat gegen die Wand des Schlafzimmers, aus dem das Jammern Evtimias tönte. »Es gibt auch einen anderen Weg. Ich erschieße ihn! Belobigt werde ich noch dafür. Einen Spion habe ich erschossen, werde ich melden. Einen Mörder! Jelena Antonowna hat er umgebracht und vergraben. Jeder wird es mir glauben. Einen Orden werde ich bekommen. Ha! Entscheide dich, Töchterchen!«
Bodmar stand regungslos vor der langen Reiterpistole. Er wußte, daß sie geladen war, und er wußte genausogut, daß Kolzow sie abdrücken würde, auch wenn er ihn sein Söhnchen genannt und Njuscha in seinem Bett geduldet hatte. Jetzt war es etwas anderes. Solange Njuscha im Haus blieb, konnte das Leben auf einer schiefen Ebene ablaufen. »Auch ein Schieler sieht schließlich etwas«, war die Moral Kolzows; jetzt aber kämpfte er um seine Tochter, und es war ihm kein Mittel zu unheilig, um Njuscha in Perjekopsskaja zu halten.
Aber Kolzow irrte sich. Njuscha kam aus dem Schlafzimmer, gefolgt von Evtimia, die ihr auf den Knien nach kroch wie ein wimmernder Hund, und schleuderte mit beiden Händen ihr langes Haar aus dem Gesicht.
»Erschieß ihn, Väterchen«, sagte sie völlig ruhig. »Eine Minute später hast du zwei Tote im Haus.«
Kolzow ließ die Pistole sinken, seufzte tief, warf die Waffe in die Schublade zurück und sank auf die Eckbank. »Sie hört nicht!« brüllte er dumpf und trommelte mit den Fäusten auf die Tischplatte. »Sie nimmt keine Vernunft an! Wie kann sie das auch … sie ist meine Tochter!«
Das Geschrei im Hause Kolzow dauerte an, aber es wurde gedämpfter. Weinend und klagend packte Mutter Evtimia die Sachen Njuschas, und es kamen Berge zusammen, die nie weggetragen werden konnten. Kolzow hatte es einfacher … er ging in die Vorratskammer, wählte eine Seite Speck, zwei Würste, drei Riesengläser mit Gurken und ein Fäßchen Kapusta aus, rannte in die Scheune und plünderte die Hühnernester, was ihm siebzehn Eier einbrachte, dann schöpfte er mit einer Kelle die fette Sahne von der Milch und füllte sie in eine blecherne, verschließbare Kanne. Hier, allein im Stall zwischen seinen Tieren, setzte er sich hin und weinte. Sein Gesicht zuckte, die Tränen tropften in den Schnauzbart und ließen ihn aufquellen, und aus dem Mund kamen Töne, die man sonst nur bei jungen Hunden hört, wenn sie hilflos im Korb liegen.
Aber auch dies ging vorbei.
Nachdem er sich ausgeweint hatte, schirrte er die Troika an. Vorher ritt er in die Steppe und suchte aus seinen Pferden die schnellsten und schönsten heraus, zwei Füchse und einen Rappen … er trieb sie vor sich her durchs Dorf, hielt beim Schuster Kalinew an und rief ihm durchs Fenster zu, welch ein Unglück über die Kolzows hereingebrochen war. Damit hatte Dimitri Grigorjewitsch etwas Ähnliches getan, als wenn er die Alarmsirene hätte aufheulen lassen: Kalinew würde, das wußte er, wie ein Wiesel von Haus zu Haus rennen und die Neuigkeit verkünden. Und tatsächlich sah er Minuten später den alten Babukin nach bester Kosakenart auf seinem klapprigen Gaul sitzen und die Häuser abreiten. So soll's auch sein, Genossen … eine große Familie ist man am
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