Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Liebe am Don

Liebe am Don

Titel: Liebe am Don Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
Vom Netzwerk:
lehnte sich gegen die Futterkrippe. Das Leben der letzten sechs Tage war trotz Njuschas Liebe ein Labyrinth aus Angst, Vorwürfen, Unsicherheit und Ratlosigkeit gewesen. In den Nächten, nach dem Glück verschmelzender Zärtlichkeit, hatte er oft wachgelegen, den Arm um Njuschas nacktem, warmem, noch in der Erfüllung nachzitterndem Körper, und hatte nach einem Ausweg gesucht. Mit Jelenas Tod waren alle seine Pläne zerstört … ihr wildes Sterben in den Fluten des Don hatte ihn mitgerissen. Zwar lebte er, aber es war nur ein geborgtes, gestohlenes Leben. Es war das Leben eines Karpfens, der in einem Bassin herumschwimmt und wartet, daß man ihn schlachtet. Diese Ausweglosigkeit war so ungeheuer, daß er in diesen langen, zergrübelten Nächten hilflos in seinen Handballen biß und alle Kraft aufwandte, seine tiefsitzende Angst zu unterdrücken.
    Es gab kein Zurück mehr, kein Vorwärts, kein Stehenbleiben … es gab nur noch die Weite dieses Landes und die Hoffnung, daß sie ihn aufsaugte, spurlos und lautlos. Es gab kein Deutschland mehr, keine Redaktion in Köln, keine Pläne für die Zukunft. Vor ihm lagen nur noch die riesigen Wälder und Steppen Rußlands und vielleicht, irgendwann einmal, eine Grenze, über die man sich schleichen konnte in den anderen Teil der Welt.
    Wir werden wirklich wie die Wölfe sein, dachte er dann und drückte die schlafende Njuscha an sich. Sie seufzte in seiner Umarmung und küßte im Halbschlaf seine Brust. Mein Gott, welches Leben liegt vor uns? Nur im Schatten werden wir vegetieren können, und die einzige Sonne wird das Licht von Njuschas Augen sein.
    Warum bin ich eigentlich nach Rußland gekommen? Weiß ich das noch?
    Auf den Spuren meines Vaters wollte ich dieses Land kennen lernen. Auf den Spuren eines wahnwitzigen Krieges wollte ich die Saat von Frieden und Freundschaft säen. Mit offenen Händen bin ich gekommen, mit dem neuen Geist einer neuen Generation.
    Was ist daraus geworden?
    Verzeih mir, Vater … es ist uns Bodmars anscheinend vorbestimmt, von Rußland gefressen zu werden. Nur ist dein Sohn nicht das Opfer eines Krieges, sondern das Opfer einer Liebe. So ändern sich die Zeiten, Vater … aber der Effekt ist der gleiche.
    Der Don ist unser Untergang –
    »Tumow –« sagte Bodmar jetzt. Er blickte hinüber zu Njuscha, die langsam ihr fleckiges Kopftuch abband und die langen blonden Haare schüttelte. »Er ist außer Jelena der einzige Mensch in Moskau, der mich genauer kennt. Es war ein Fehler zu glauben, in Moskau falle man auf das Telegramm herein. Perjekopsskaja war die letzte Station, von der aus sich Jelena gemeldet hat … und von hier aus werden sie ihre Spur aufnehmen.«
    »Darum fährst du ja nach Wolgograd.« Kolzow schielte zu Njuscha. Auch Evtimia schien den gleichen Gedanken zu haben, denn sie schob sich zwischen ihre Tochter und die Stalltür, ein Bollwerk mütterlicher Liebe. »Wir werden dich zur Bahnstation Logowskij bringen, eine Fahrkarte kaufen und dich in den Zug setzen. Und dann behüte dich Gott, mein Söhnchen. Du weißt, wie sehr du mir ans Herz gewachsen bist.«
    »Ja, packen wir sofort.« Njuscha streckte die Hände nach Bodmar aus. »Wir werden in Wolgograd glücklich sein, Sascha –«
    »Wir?« Kolzow zog den Kopf zwischen die breiten Schultern. »Er fährt allein!«
    »Warum redest du soviel Dummheit, Väterchen?« Njuscha band die Schürze ab und legte sie über die Futterkiste. »Es ist selbstverständlich, daß ich mit Sascha gehe.«
    »Es ist selbstverständlich, daß du bei deinen Eltern bleibst!« schrie Kolzow und vertrat ihr den Weg. Er stand jetzt zwischen Njuscha und Bodmar, wie eine Mauer, die für alle Zeiten zwei nicht zueinanderpassende Dinge trennt. »Du gehörst in dieses Haus … mein einziges Töchterchen bist du. Der Inhalt meines Lebens. Das einzige, was ich geschaffen habe, über das ich mich freuen kann. Du gehörst hierher wie die Steppe, wie die Pferdeherden, wie das Rauschen der Birken, wie der Don. Njuscha –«
    Er streckte beide Hände aus. An der Tür begann Evtimia zu weinen, hell, langgezogen, wie ein Klageweib.
    »Ich gehöre zu ihm«, sagte Njuscha noch einmal. Ihre Stimme war so klar, als schlage sie gegen Glas. »Wie könnt ihr glauben, daß ich ihn allein lasse?« Und plötzlich, als sie sah, daß Kolzow sie festhalten wollte, machte sie einen weiten Satz nach vorn, drückte Evtimia von der Tür und rannte hinaus.
    Evtimia stieß einen hellen Schrei aus und stürzte ihrer Tochter nach. »Haltet

Weitere Kostenlose Bücher