Liebe am Don
sah ich das Boot, losgerissen aus der Verankerung, und du hocktest darin, hattest dich an die Wände geklammert und schriest. In den tobenden Fluß bin ich geritten, das Pferd habe ich geschlagen und mißhandelt, damit es sich gegen die Wellen stürzte, und als es ertrank, schreiend in seiner Todesnot wie ein Mensch, war ich nur noch drei Meter von dir entfernt, erreichte das Boot und drückte dich an mich. Zehn Werst südlich sind wir dann ans Ufer geworfen worden, aber wir lebten. Warum ich daran denke? O Njuscha, mein Täubchen … solange dein Vater lebt, soll es keine Gefahr für dich geben …
Tumow ließ sich wieder auf seine Füße fallen. Sein Gesicht war verkniffen. »Sie wollen es nicht anders«, sagte er heiser. »Ich nehme Sie mit nach Wolgograd.«
»Ich bin darauf vorbereitet, Genosse Major.«
»Haben Sie Abschied genommen?« Es war eine höllische Frage. Sie brannte Kolzow tief ins Herz.
»Ein Kosak ist immer bereit«, sagte er.
»Ich habe auch Kosaken wimmern hören!« schrie Tumow plötzlich.
»Dann hießen sie nicht Kolzow«, antwortete Dimitri Grigorjewitsch. »Schwächlinge gibt es auch unter Stieren –«
Eine Stunde später brach die Kolonne auf. Der Platz vor dem Parteihaus war leer. Das Dorf schien verlassen. Die Stille war erdrückend.
»Entsichern Sie die Waffen!« rief Tumow, bevor er in seinen Wagen stieg. Neben ihm saß bereits Kolzow in den Polstern, den Jutesack auf den Knien. Tumow stieß Kolzow an. »Was haben Ihre Leute vor?«
»Wie kann ich das wissen?«
»Was sie auch unternehmen … es ist Revolution! Es ist Widerstand gegen die Ordnung! Es macht keine großen Umstände, ein ganzes Dorf zu verhaften und umzusiedeln!«
»Wer würde Ihnen das nicht glauben, Genosse Major?« sagte Kolzow höflich.
»Ich werde sofort schießen lassen, wenn sich jemand den Wagen nähert!« schrie Tumow. Plötzlich stand kalter Schweiß auf seiner Stirn. Zwölf Maschinenpistolen haben wir, dachte er. Das ist eine ungeheure Feuerkraft. Aber was nutzt sie, wenn die Kosaken über uns kommen wie eine riesige Woge? Wenn sie mit ihren wilden, rasenden Pferden eine Attacke reiten? »Ich warne Sie –« sagte Tumow heiser.
»Ich habe keinen Einfluß mehr.« Kolzow schlug mit der flachen Hand auf sein jämmerliches Gepäck. »Ich bin ein Gefangener.«
»Abfahren!«
Die Kolonne setzte sich in Bewegung. Zuerst ein Wagen der Miliz, dann Tumows große Wolga-Limousine, am Schluß die beiden anderen Autos. Die Milizer hatten die Fenster heruntergekurbelt und die Maschinenpistolen schußbereit hinausgeschoben. So fuhren sie langsam durch das verlassene Dorf, tasteten sich meterweise vorwärts, mißtrauisch, auf jede Bewegung achtend, bereit, sofort zu schießen.
Bei Klitschuks Haus geschah es dann. Hinter dem Flechtzaun meckerte eine Ziege und stieß mit den Hörnern gegen das Holz. Das klang wie ein dumpfer Schuß, und ohne Zögern ratterten die Maschinenpistolen los, zersägten den Zaun Klitschuks und töteten die Ziege. »Ihr Teufel!« schrie die alte Klitschuka, die im Haus geblieben war und hinter dem Fenster saß. »Mein bester Bock!« Sie riß das Fenster auf, beugte sich hinaus und spuckte in hohem Bogen in den Vorgarten.
Hinter dem Dorfausgang, dort wo das Maisfeld der Sowchose begann, ballte sich eine dunkle Masse. Pferde und Reiter, Wagen und Maulesel, ein Gewühl von Köpfen und Beinen war's, ein Wiehern, Rufen und Stampfen. Der alte Babukin umkreiste alles auf seiner alten Mähre und fuchtelte mit seinem Kosakensäbel durch die Luft.
»Aufstellen!« kommandierte er. »Sie kommen! Brüderchen, benehmt euch gesittet! Es soll kein Blutbad werden. Sie haben stärkere Waffen als wir. Behaltet die Nerven, ich beschwöre euch –«
In die Masse kam Form. In breiter Front stellten sie sich auf … zuerst die Reiter, dann die langen Leiterwagen, voll mit Frauen und Kindern. Zu beiden Seiten der Straße standen sie, sogar Rebikow, der Magazinverwalter, war dabei und hockte in einer Troika, obwohl ihm das Herz unter den Hinterbacken lag.
Tumow ließ anhalten und steckte den Kopf aus dem Fenster.
»Kolzow –« sagte er mit stockendem Atem. »Reden Sie mit den Leuten! Es ist Wahnsinn, was sie machen! Sollen wir auf Frauen und Kinder schießen? Wollen Sie das?«
»Ich bin ein Gefangener.« Kolzow umklammerte sein Gepäck. »Der Weg nach Wolgograd ist Ihr Problem, Genosse Major.«
»Wie Sie wollen!« Tumow ließ sich in die Polster zurückfallen. »Weiterfahren!« rief er mit schriller Stimme.
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