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Liebe am Don

Liebe am Don

Titel: Liebe am Don Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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ihm sagte: Du bis ein verlorener Mensch, Granja. Du atmest nur noch, weil wir es so wollen. Aber morgen schon wird alles vorbei sein, bist du ein Klumpen Fleisch, den wir in eine Grube werfen. Nicht einmal einen Sarg wird Tutscharin für dich machen, nicht einen Sack werden wir opfern … so wie du bist, kippen wir dich weg, als seist du Müll.
    »Ihr seid Mörder –«, sagte er dumpf. »Alle seid ihr Mörder, wenn ihr mich umbringt. Ihr habt kein Recht, über mich Gericht zu halten.«
    »Ein Irrtum, Teufelchen.« Der alte Babukin stand auf. Er zitterte vor Eifer, entrollte ein altes Pergament und zeigte es Granja. Es war aus einem weit zurückliegenden Jahrhundert, geschrieben mit einem Gänsekiel und einer Tinte aus Galläpfeln, sogar ein Siegel hatte es, aus Wachs, in das man einen Pferdekopf geprägt hatte. Vater Ifan hatte es Babukin gegeben und dabei gesagt: »Wenn es rechtliche Schwierigkeiten gibt, lies dies vor. Ich habe es in einer alten Truhe gefunden. Aber der Satan holt dich wenn du sagst, ich hätte es dir gegeben. Ich habe nichts zu tun mit eurem Gericht. Gottlos ist es, verworfen, verflucht. Mein ist die Rache, sagt der Herr!« Dann segnete Ifan den alten Babukin mit seinem Kreuz, klemmte ihm die Rolle unter den Arm und warf ihn aus der Kirche.
    »Dies ist ein Gesetz!« schrie Babukin und schwenkte das Papier. »Ein Gesetz der Kosaken, gegeben im Jahre 1534 von dem Ataman Janis Eriwanowitsch Koljopin, genannt ›Vater der Unterdrückten‹. Und noch niemand hat dieses Gesetz gelöscht! Es gilt also noch immer, nach den Gesetzen der Logik. Genossen, nur ein Abschnitt ist interessant in dem Gesetz des Koljopin … der neunte Absatz von oben. Ich lese vor.«
    Im Raum war plötzlich vollkommene Stille. Auch Granja rief nicht mehr dazwischen oder versuchte Babukin zu stören. Ein Gesetz der alten Kosaken … es war, als sei die Erde stehengeblieben, als habe sie sich nie über vierhundert Jahre weitergedreht.
    »Und ich befehle –«, las Babukin mit seiner hellen Greisenstimme – »daß jeder Kosak, der feig ist im Kampf, zurückbleibt oder sich versteckt, der seinem verwundeten Freund nicht hilft, aus Angst vor dem eigenen Tod seine Horde verrät, wer sich also benimmt wie eine Ratte, auch getötet werde wie eine Ratte –«
    Babukin ließ das Pergament sinken. Noch einmal hielt er es Granja hin und zeigte auf das Wachssiegel. Kotzobjew schnaufte durch die Nase, Rebikow, im Herzen ein Feigling, wie ihn Koljopin, der große Ataman, beschrieben hatte, war blaß geworden und umklammerte die Tischkante, der Schuster Kalinew zerknüllte seine Anklagenotizen und kaute an seinem hängenden Schnauzbart. Klitschuk und Tutscharin starrten an die Balkendecke, als laufe dort eine Armee Wanzen Parade. Jeder hier im Zimmer wußte, was das Gesetz des Koljopin bedeutete, wenn man es jetzt auf Granja anwendete.
    Doch da war der Gedanke an Kolzow, der jetzt in einem Keller des KGB in Wolgograd saß, in einer engen Zelle, vielleicht geschlagen und gemartert, vielleicht schon gestorben. Man wußte nicht Genaueres von Major Tumow in Perjekopsskaja, man kannte nicht seinen Ruf, Geständnisse sogar aus einem Stein zu holen … aber man hatte ihn gesehen, einen halben Tag lang, und das genügte.
    Granja Nikolajewitsch fiel auf den Stuhl in der Mitte des Zimmers zurück. Er zitterte heftig, seine Stiefel schlugen auf die Holzdielen wie bei einem Tänzer. »Genossen –«, stammelte er, »Freunde, Brüder … das ist ein Gesetz von 1534 … wir aber leben im zwanzigsten Jahrhundert. Überlegt doch, Freunde, die Zeiten waren damals anders …«
    »Am Don gilt das Gesetz der Vorfahren«, sagte Luschkow, der Vorsitzende, langsam. Seine Stimme war heiser vor innerer Erregung. »Die Ehrbegriffe des großen Koljopin veralten nie. Ein Kosak bleibt ein Kosak, ob 1534 oder im Jahre 2500! Granja Nikolajewitsch … du bist schuldig.«
    »Mörder seid ihr! Mörder!« Granja sprang auf. Drei junge Männer stürzten sich auf ihn, und sie hatten Mühe, ihn zu bändigen, den Tobenden gegen die Wand zu drücken und aufzurichten. Schaum stand Granja vor dem aufgerissenen Mund, seine Augen hingen aus den Höhlen, das Gesicht mit der zerstörten Haut war eine Fratze aus Angst und Grauen. »Meinen Tod werdet ihr nie vergessen!« brüllte er. »In euren Seelen werde ich geistern wie ein Gespenst! Ein Fluch wird über dieses Dorf kommen!«
    »Er redet wirklich zuviel«, sagte der Metzger Kotzobjew. »Und er redet unwürdig. Macht ein Ende, Genossen.

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