Liebe am Don
Riecht es aus unseren Fürzen, was? Ist ein Zauberer, der Kerl, der in die Gehirne blicken kann. Granja – was hast du ihm gesagt?«
»Nichts, liebe Freunde, nichts. Ein bereits fertiges Protokoll hat er mir vorgelesen. Wissen wir, ob nicht Kolzow selbst –«
Er schwieg abrupt und erkannte, daß er etwas Schreckliches gesagt hatte. Der Metzger Kotzobjew nahm eine Peitsche unter dem Tisch hervor, wo er sie versteckt hatte, holte aus, und klatschend durchschnitt die dünne, scharfe Schnur das Gesicht Granjas. Es war ein gut gezielter Schlag und riß die zarten Hautstellen wieder auf, die sich über Granjas Verbrennungen gebildet hatten.
Warwarink heulte auf, warf die Hände vor sein Gesicht und fiel vom Stuhl herunter auf die Knie.
»Ich bin Kosak wie ihr!« brüllte er. »Mein Vater war Feldwebel im 1. Regiment. Brüderchen, martert mich nicht! Ich schwöre euch, ich bin ein Opfer von Mißverständnissen! Wie könnte ich Njuscha verraten, da ich sie liebe, noch immer liebe? Wo ist da die Logik, Genossen?«
»Die Logik liegt darin, daß Kolzow nach Wolgograd gebracht worden ist.« Der Schuster Kalinew, der offensichtlich die Anklage übernommen hatte, blickte auf ein Blatt Papier. »In der Nacht vor der Verhaftung Dimitri Grigorjewitschs bist du von der Sowchose freiwillig nach Perjekopsskaja geritten, hast dein Pferd bei den drei Pappeln angebunden und bist ins Parteihaus geschlichen.« Kalinew ließ den Zettel sinken. »Stimmt das?«
Granja starrte durch die gespreizten Finger, die er noch immer vor sein Gesicht preßte, auf die Versammlung der Genossen. Da saß Luschkow in der Mitte, neben ihm Kotzobjew mit der Peitsche, links der Schuster Kalinew, und da waren in langer Reihe hinter dem Tisch neben Luschkow die Genossen Klitschuk, Rebikow, Babukin, das Urväterchen mit flammenden Augen, Tutscharin, der Sargmacher, der ihn musterte, als wolle er schon Maß nehmen, und plötzlich wurde es Granja klar, daß dies hier keine einfache Befragung mehr war, sondern eine Gerichtsverhandlung, daß man hier und jetzt über sein Leben entscheiden würde, unter Mißachtung aller Gesetze, einzig nach dem Recht der Steppe, nach Kosakenrecht, das immer – auch wenn es verboten wurde – heimlich seit vierhundert Jahren am Don so viel galt wie Gottes Wort.
Mit einem Satz sprang er auf und warf verzweifelt die Arme in die Höhe.
»Brüder –«, heulte er, und seine Stimme überschlug sich dabei. »Alles hat eine einfache Erklärung –«
»Wir wollen keine Erklärungen, wir wollen die Wahrheit«, sagte Luschkow, der Vorsitzende. »Stimmt es, was der Genosse Kalinew vorgelesen hat?«
»Wie soll es stimmen? Hat er Zeugen?«
»Ja!«
»Einen Zeugen?« Granjas Knie begannen zu schlottern. »Holt ihn her, stellt ihn vor mich! Ich werde ihn bespucken! Er lügt!«
»Palonoff hat dich gesehen.«
»Palonoff ist ein blöder Narr!« schrie Granja. »Wir alle wissen es. Wenn man ihm nicht die Hose auszieht, scheißt er sie voll.«
»Aber blind ist er nicht. Er stand hinter dem Zaun und pinkelte, als du aus der Steppe geritten kamst. Und er ging an dein Pferd, als du im Parteihaus warst, und hat es sich genau betrachtet. Und dann hat er Maria Nikolajewna geholt, seine Mutter. Ist sie blöd, he? Und sie hat auch dein Pferd befühlt und gesagt: Das gehört Granja. Dann haben sie im Gras gelegen und gewartet bis du wieder herausgekommen bist. ›Ich danke Ihnen‹, hat der Major zu dir gesagt. ›Sie waren mir eine wichtige Hilfe.‹ Zwei Meter weiter lagen sie im Gras, und der Major sprach laut genug. Ist das ein Beweis?«
Granja schwieg. Dafür gab es keine Erklärungen mehr. Er hob den Kopf, sah hinauf an die Balken der Decke und sagte leise: »Ja –« Weiter nichts. Jedes Wort mehr wäre nur noch ein sinnloser Laut gewesen.
»Du hast Kolzow verraten?« fragte Kalinew scharf.
»Ja.«
»Du weißt, was Kolzow in Wolgograd erwartet?«
»Ja.«
»Aus Haß hast du es getan.«
»Ja, aus Haß!« Granja fuhr herum. Blut lief über sein Gesicht, die neue, dünne Haut war geplatzt, er sah schrecklich aus, verwüstet und zerstört. »Seht mich an!« brüllte er schrill. »Sieht so ein Mensch aus? Das haben sie aus mir gemacht, die Kolzows und ihr Deutscher! Hier … blickt mir ins Gesicht, was einmal ein Gesicht war!«
Er ging umher, geduckt, von Mann zu Mann, und zeigte ihnen sein verstümmeltes Antlitz. Aber es half alles nicht, er erblickte kein Mitleid in ihren Augen, nur die Kälte, die aus ihrer Schweigsamkeit sprach und zu
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