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Liebe am Don

Liebe am Don

Titel: Liebe am Don Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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gegenwärtig ein Dichter, der morgen begraben werden sollte und zu dessen Beerdigung eine Delegation des Schriftstellerverbandes kommen wollte. Der Kranz war schon da, ein Monstrum aus Tannengrün und gelben Papierblumen mit roten Schleifen. Borja war darüber verärgert, denn er schlief in Raum VI hinter dem schwarzbezogenen Katafalk. »Da stirbt nun ein großer Dichter«, klagte er. »Und was schickt man? Papierblumen! Eine Schande ist das! Hat er nicht echte Blumen verdient? Duftende Blüten, so schön wie seine Gedichte? Es war eine schreckliche Nacht.«
    Borja zog daraufhin um, in den Raum III, wo eine dicke Frau lag, die man mit Blumen zugedeckt hatte. Hier umgab ihn sein geliebter Blumenduft, und er schlief zufrieden und traumlos neben dem Sarg.
    Am dritten Tag verkroch sich Bodmar plötzlich in ein gerade ausgeschaufeltes Grab und beugte sich tief zur Erde. Der Schweiß lief ihm über den Nacken, und er wußte, daß es Angst war … nackte, billige, schreckliche Angst.
    Über den Friedhof ging Major Tumow.
    Es war ein Zufall. Tumow hatte keinen Verdacht, er suchte nichts in dieser Stadt der Toten, er beachtete auch nicht den Totengräber, der auf dem Grunde der Grube herumkroch und den Boden klopfte. Er war nur gekommen, weil er zum Begräbnis des bekannten Dichters abkommandiert war, und wollte nun wissen, wo das große Zeremoniell stattfand. Er traf auf Borja, der gerade einen neuen Abschluß mit trauernden Hinterbliebenen getätigt hatte.
    »Wo ist das Grab von Igor Nikolajewitsch Rebikin?« fragte Tumow.
    »Im nördlichen Teil.« Borja zeigte zum anderen Ende des riesigen Friedhofs. »Ein berühmter Mann, was?«
    »Ja. Er hatte den Lenin-Preis.«
    »Und dann Papierblumen …« Borja schüttelte den Kopf und ging weiter. Verwundert starrte ihm Tumow nach. Dann lachte er und wandte sich ab. Ein wunderlicher Alter. Aber schon bei Shakespeare waren die Totengräber besondere Menschen –
    Bodmar tauchte aus seinem Grab auf, schob den Kopf über den Grabrand und sah Tumow nach. So hautnah leben wir mit der Katastrophe, dachte er erschrocken. Njuscha, wir werden weiter flüchten müssen. Wolgograd liegt zu dicht an unserem Verhängnis. Zum Meer sollten wir. Nach Rostow oder auf die Krim.
    »Was wollte er?« fragte er.
    Borja schob die Mütze in den Nacken. »Er fragte nach dem Dichter. Komm 'raus, ich habe fünf Rubelchen für dich.« Er zog Bodmar aus dem Grab und zählte ihm die Geldstücke in die schmutzige Hand. »Du zitterst ja, Sascha?«
    »Ich fühle mich nicht wohl. Ein Schwindelanfall … es ist gleich vorüber.«
    Sie setzten sich im Schatten eines breiten Busches auf die Erde, und Borja packte ein Stück Blutwurst und einen Kanten Brot aus. »Wer bist du?« fragte er dabei.
    Bodmar durchrann es heiß. »Wieso?« fragte er zurück. »Du weißt doch, wer ich bin.«
    »Vom Don kommst du nicht.«
    »Ich habe dich nicht belogen.«
    »Ich bin am Don geboren. Dort sprechen die Menschen anders.«
    »Geboren bin ich in der Ukraine, das stimmt.« Bodmar nahm ein Stück Wurst und stopfte es in den Mund. Wie ein Leimklumpen lag es in seiner Mundhöhle. »Aber seit Jahren lebe ich am Don.«
    Borja Ferapontowitsch schnitt ein dickes Stück Brot ab und spießte es auf die Messerspitze. »Rußland ist groß«, sagte er. »Es gibt Menschen aller Arten hier. Gute und böse, dumme und gescheite, gutmütige und gehässige. Aber alle sind Menschen. Sie sollen leben, und man soll sie in Ruhe lassen. Wenn sie später zu uns hierher kommen, Sascha, ist ihr Leben vertan, dann liegen sie stumm und steif in ihrem Sarg, und wenn es wirklich einen unsterblichen Geist gibt, der wird dann am Sargrand hocken und auf den weißen Leib blicken und sagen: Freundchen, du Rindvieh, was hast du vom Leben gehabt? Was hast du alles falsch gemacht! O je, welch ein Idiot bist du gewesen! Geschuftet hast du und dich geärgert, dich von deinem Weib schikanieren lassen, die Kinder hast du großgezogen und später dafür einen Tritt bekommen, du hast gesoffen und gehurt, ein Haus gebaut und sogar ein Auto gefahren … und nun liegst du da, kalt und steif, und merkst erst jetzt, was du nicht getan hast … gelebt! Und dann wird der unsterbliche Geist sich vorbeugen und der dämlichen Hülle eine 'runterhauen … er darf das, das ist keine Leichenschändung … denn er ist ja unsterblich, der Geist.« Borja reichte das Brot auf der Messerspitze Bodmar hin. »Ich will gar nicht wissen, wer du bist, Sascha … aber ich will, daß du lebst, daß dein

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