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Liebe am Don

Liebe am Don

Titel: Liebe am Don Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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getreten waren. Der alte Iwan Feodorowitsch hatte sie voller Gemeinheit frühzeitig in der Nachbarschaft verteilt, und auf allen Blättchen stand das gleiche:
    »Ihr seid alle nach meinem Tode zum Totenschmaus eingeladen im Lokal ›Majak‹. Trinkt auf meine Seele ein Gläschen, Freunde. Euer Iwan Feodorowitsch.«
    Was blieb Arkadij anderes übrig, als diesen letzten Wunsch seines Vaters zu erfüllen? Man hätte ihn sonst gesteinigt und auf der Straße angespuckt als einen Geizkragen. So saß man also herum, feierte fröhlich auf Kosten der Volkows und lobte den toten Alten als einen großen Menschenfreund.
    Aber auch dieses Fest ging vorüber, Volkow zahlte mit knirschenden Zähnen zweihundertzehn Rubel für den Totenschmaus, die Volkowa verfluchte noch einmal den Toten und weinte zu Hause stundenlang über das Unglück, Schwiegertochter eines höllischen Gottseibeiuns gewesen zu sein. Auch Bodmar und Njuscha erhielten ihren Anteil am Tode des Alten: als neue Mitglieder der Familie mußten sie von nun an ein Drittel aller Kosten übernehmen. Sie zahlten sie gern, ohne zu murren … das Zimmer des Toten und das Untertauchen in der Familie Volkow waren runde hundert Rubel wert.
    Am Sonntag fand dann das große Begräbnis der Opfer des Schiffsunglücks auf der Wolga statt. Bis auf zwei Männer, die dem Aussehen nach Kalmücken waren, hatte man alle Toten identifiziert, vor der säulengeschmückten Leichenhalle aufgebahrt und mit Blumen geschmückt. Eine Ehrenkompanie Infanterie präsentierte, eine Kapelle spielte Trauermärsche, vier Vertreter der Partei, der Gewerkschaft Schiffahrt, des Stadtrates und des Bezirkskomitees sprachen ergreifende Worte, und Bodmar hatte alle Hände voll zu tun, schwankende Witwen mit einer großen Flasche Riechwasser in den Alltag zurückzuholen. Er kassierte dabei reichlich Trinkgeld, obgleich in der Sowjetunion das Trinkgeldgeben verpönt ist und als eine Einrichtung versklavenden Kapitalismus angesehen wird … aber im Schmerz vergißt man leicht die Ideologie und hat eine offene Hand.
    Die Grablegung war grandios. In das riesige Gemeinschaftsgrab seilte man die lange Reihe der Särge ab, nachdem noch einmal alle Trauernden am offenen Sarg Abschied genommen hatten. Die Militärkapelle blies den ›Großen Abschied‹, und dann kam der Bulldozer, brüllend und schnaufend, und schob die Erde über die Toten.
    Für den Nachmittag hatten sich Bodmar und Njuscha eine kleine Vergnügungsfahrt auf der Wolga vorgenommen. Es gibt eine ganze Flotte weißer, schöner, moderner Ausflugsschiffe auf dem großen Strom. Schwimmende Restaurants mit Musik und Tanz, gebratenem Fisch und anderen Leckerbissen, vom gegrillten Maiskolben bis zur knusprigen Frikadelle. Süße Limonade, Kwaß und Wein kann man in Mengen trinken, nur mit dem Wodka hat man seine Mühe, er wird eingeteilt, hundert Gramm pro Kopf, denn es hinterläßt keinen guten Eindruck, wenn nach einer Rundfahrt das Schiff anlegt und man die Genossen wie Säcke ans Ufer werfen muß.
    Bodmar und Njuscha erwischten mit viel Glück das Schiff Nr. 7, die ›Lebedj‹, was auf deutsch ›Der Schwan‹ heißt. Zu Hunderten standen die Sonntagsausflügler an den Landebrücken, und vier Männer in Matrosenuniform zählten die Herandrängenden. Ein Unglück auf der Wolga wollte man nicht noch einmal erleben. Oben, am Ufer, stand genau zu dieser Zeit der Fotograf Brutjew und fotografierte. Stimmungsbilder, nannte er solche Aufnahmen. Das wirkliche Leben einfangen. Sonntag an der Wolga. Ein Volk, so sonnig gestimmt wie die Sonne selbst.
    Brutjew verknipste drei Filme. Dann bestieg er das Schiff Nr. 8 und machte noch ein paar herrliche Aufnahmen, als Nr. 7 und Nr. 8 sich mitten auf der Wolga begegneten, aneinander vorbeifuhren und die Menschen lachend und singend sich von Schiff zu Schiff zuwinkten.
    Am Abend – Njuscha und Bodmar lagen müde von diesem vielfältigen Tag im Bett und lasen in der Illustrierten ›Die Sowjetunion‹ – entwickelte Brutjew seine Filme, vergrößerte die Bilder und hängte sie zum Trocknen an eine lange Leine. Mit der Lupe betrachtete er dann seine Aufnahmen, denn manchmal lohnte es sich, Ausschnittvergrößerungen anzufertigen. Da war der Kopf eines Mannes, der aussah wie ein Adler, oder eine dicke Frau stak japsend in der Menschenmenge wie ein eingerammtes Faß. Solche Bilder liebte Brutjew besonders … sie zeigten den Menschen ohne Maske. Das war Natur. Das war das Leben.
    An diesem Abend erhielt Brutjew bei Betrachtung

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