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Liebe am Don

Liebe am Don

Titel: Liebe am Don Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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setzte und dort in aller Ruhe wie ein Pensionär Blatt nach Blatt umwendete.
    Bodmar entfaltete die Zeitung und senkte dann den Kopf. Auf der ersten Seite sahen ihn groß, schwarz umrandet, die Fotos von Njuscha und ihm an. Undeutliche Aufnahmen zwar, in der extremen Vergrößerung verschwommen und verzerrt, aber dennoch deutlich für alle, die sie kannten.
    Nun werden wir wirklich Wölfe sein, dachte Bodmar. Nun werden wir herumziehen in der Weite des Landes, gejagt von Tausenden, denn fünfhundert Rubel sind ein ganz schöner Fleck auf der leeren Hand. Wir werden lernen, was Einsamkeit ist, und wir werden mit der Angst leben wie andere mit dem Ticken der Uhr.
    Er ging in das neue Schlafzimmer und betrachtete Njuscha. Wie immer lag sie nackt da, die Decke zurückgeschlagen, fast eingewickelt in ihr langes blondes Haar, die Beine angezogen, die Arme ausgestreckt, einen Hohlraum umfassend, in dem er vor wenigen Minuten noch gelegen hatte.
    Ein paar Minuten blieb er schweigend an der Tür stehen. Die Zeitung knisterte in seiner Hand, und er wußte, daß er dieses Bild des Friedens zum letztenmal sah.
    »Njuscha –«, rief er leise.
    Sie rührte sich nicht, aber an dem Flattern ihrer Lider erkannte er, daß sie wach war, daß sie die Schlafende nur spielte. Sie erwartete von ihm, daß er sich niederbeugte und sie küßte, ihre Brüste streichelte und ihren Schoß liebkoste … das morgendliche Spiel des Glücks, das sich jeden Tag wiederholte, seit sie bei den Volkows eine Heimat gefunden hatten. »Mein Sascha –«, sagte sie dann. »Ich könnte auf die Sonne verzichten, wenn ich deine Augen über mir habe –«
    Jeden Morgen. Ein Tagesbeginn voll Seligkeit.
    »Njuscha –«, sagte Bodmar lauter. Er setzte sich auf die Bettkante, faltete die Zeitung auf und hielt die beiden Fotos vor ihre geschlossenen Augen. »Wach auf, Wölfin … der große Zug beginnt!«
    Njuschas Kopf zuckte hoch. »Sascha!« schrie sie. Sie riß die Zeitung aus seiner Hand, starrte auf die Bilder und zerriß sie mit zu Krallen gebogenen Fingern. »Woher haben sie die Fotos?«
    »Ich weiß es nicht. Es sind schlechte Aufnahmen, aber man erkennt uns gut. Nur wenige Minuten bleiben uns noch … gleich wachen die Volkows auf.«
    Njuscha sprang aus dem Bett und begann, nackt wie sie war, eine große Tasche zu packen. »Wohin?« rief sie dabei. »Wandern wir nach Sibirien oder an das Meer?«
    »Ich weiß es nicht.« Bodmar knüllte das unter der Matratze versteckte Geld in die Rocktasche. Das war das Wichtigste … alles andere konnte zurückbleiben, war nur Ballast, behinderte die Flucht. »Zuerst gehen wir zu Borja …«
    Njuscha fuhr herum. »Er wird uns ausliefern!«
    »Borja nie.«
    »Für fünfhundert Rubel? Kann er sie leichter verdienen?«
    »Borja ist mein Freund.«
    »Aber er haßt die Deutschen. Du weißt es. Auch er liest jetzt die Zeitung … jeden Morgen holt er sie sich im Laden, wo er sein Brot kauft. Er wird schon angerufen haben bei der Partei.«
    »Ich glaube es nicht.« Bodmar packte sein Rasierzeug, zwei bunte Hemden, ein Paar Socken und einen alten Anzug in eine Aktentasche, die er dann nur noch mit Mühe und einigen Faustschlägen schließen konnte. Es war ja alles so unwichtig … das nackte Leben blieb das einzige, das er jetzt aus Wolgograd hinausbringen mußte. Njuscha zog sich an, band das Haar zu einem Knoten zusammen und ergriff die Reisetasche. Sie sahen sich stumm an, mit großen, traurigen Augen, zwei Menschen, denen nichts mehr blieb als die Hoffnung, in einer Stunde, am Nachmittag oder morgen früh auch noch atmen zu können.
    »Komm –«, sagte Bodmar mit heiserem Ton. Er setzte eine Sonnenbrille auf, Njuscha band ein Tuch um ihren Kopf. Das veränderte beide ein wenig, aber es war eine traurige Tarnung. Bis zu Borja würden sie damit kommen … aber nicht aus Wolgograd hinaus.
    Sie faßten sich an der Hand wie ängstliche Kinder, gingen leise durch die Wohnung, lauschten an dem Schlafzimmer der Volkows, wo das Schnarchen der Volkowa das Bett erzittern ließ, schlichen dann aus dem Haus und gingen wie immer, ganz ruhig, aber mit hämmerndem Herzen, die paar Straßen hinunter bis zu der Haltestelle des Busses, wo sie sich in die Schlange der Wartenden stellten. Ein paar Männer vor ihnen lasen die Zeitung … die großen Fotos schienen sie anzuspringen, und als sie sich umblickten, denn die Schlange vergrößerte sich von Minute zu Minute, sahen sie auch dort ihre Bilder. Ein merkwürdiges Gefühl war das, von den

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