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Liebe am Don

Liebe am Don

Titel: Liebe am Don Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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großmäulig entgegenbrüllte: »Rühren Sie sich nicht vom Flugzeug, Genosse! Haben Sie schon in einer brodelnden Bratpfanne gelegen?«
    Rossoskij verneinte das höflich und blieb neben dem Hubschrauber stehen. Was man ihm in Wolgograd von dem kriegerischen Kosakenvolk am Don erzählte, hatte er bisher als Übertreibung angesehen. Alle südlichen Menschen übertreiben, dachte er damals. Ihr Temperament läßt die einfachsten Dinge zu himmelhohen Problemen werden. Nun war er selbst am Don, und bereits als er niedrig über die Steppe flog und die beiden Heerlager sich gegenüberliegen sah, als er die Glocke hörte und kurz darauf den durchdringenden Sirenenton, berichtigte er sich selbst in seinem Urteil. Er war ein ehrlicher Mensch, der eigene Fehler einsah.
    Diese Leute sind ein Wunder an Kraft und Erdverbundenheit, dachte er, als neben Babukin nun von allen Seiten die Reiter auftauchten und zunächst schweigend in einem höllischen Tempo um den Hubschrauber herumgaloppierten. Sie haben ihren neuen Heiligen gefunden. Dimitri Grigorjewitsch Kolzow heißt er. Warum soll man ihnen dieses Vergnügen nicht lassen? Sie werden sanft und friedlich sein, wenn man ihre heiße Seele nicht antastet. Ihre Welt ist eine runde Sache … warum sollen wir sie verformen? Niemandem tut es weh, wenn ein Denkmal für Kolzow am Don-Ufer steht … nicht den Genossen in Wolgograd, nicht in Woronesch und schon gar nicht im weiten Moskau.
    Die Glocke schwieg, die Sirene starb mit einem Jammern, vom Parteihaus ritt Kalinew herbei. Hinter ihm die Schar der jungen Kosaken … ein Stoßtrupp, dem Angst völlig fremd war. Rossoskij, begabt mit dem Gespür für Situationen, trat Kalinew entgegen und grüßte ihn wie einen Offizier.
    »Ich bin zu Ihnen gekommen, Genosse, um Ihnen persönlich mitzuteilen, daß in zwei Stunden die Kompanie Infanterie nach Wolgograd zurückgezogen wird. Es war ein Fehler, sie hier einzusetzen«, sagte er laut.
    Kalinew starrte Rossoskij von seinem Pferd herunter entgeistert an, als wachse aus der Steppe plötzlich ein Weihnachtsbaum mit allen Lichtern. Nur Babukin stieß einen rülpsenden Laut aus und schrie dann: »Haltet die Augen auf, Freunde! Da ist einer gekommen, der scheißt euch in die Stiefel, ohne daß ihr's merkt –«
    Rossoskij betrachtete den tobenden Alten wie ein Jäger ein Wildschwein und lächelte dann. Wirklich, er lächelte, in jener feinsinnigen Art, die einen Choleriker zum Mord treiben kann. Es ist das Lächeln, mit dem man einem Idioten alles verzeiht. Der alte Babukin schwankte im Sattel vor Wut, rollte die Augen und galoppierte mit seinem stolpernden Pferd davon.
    Manchmal – wir wissen es ja – hatte Babukin gute Gedanken. Auch heute erfaßte er die Lage, ritt zu Evtimia, die gerade vom Stall kam und keuchend den Mist herausfuhr, sprang vom Pferd wie vor fünfzig Jahren und rannte krummbeinig durch die Pforte im Flechtzaun.
    »Töchterchen!« brüllte er. »Da ist einer aus Wolgograd gekommen, ein Teufel, sag ich dir, und verwirrt mit schönen Reden die hirnlosen Kerle. Auf den Leim kriechen sie ihm wie die Obstwürmer!« Er schubste Evtimia vor sich her ins Haus. Sie wehrte sich und schlug ihm auf die Finger. Erst im Zimmer ließ Babukin von ihr ab, ging zum Herd, trank heiße Milch mit einer hölzernen Kelle aus einem Kessel und setzte sich dann in die ›schöne Ecke‹ unter die Ikone. Evtimia stand wütend herum und stank nach Kuhmist.
    »Was ist nun los, du schielende Eule?« schrie sie Babukin an. »Alarm wegen eines Mannes und eines Flugzeugs! Was kann uns noch passieren? Kolzow haben sie umgebracht, Njuscha ist verschwunden … mich interessiert nicht mehr, was da draußen geschieht.«
    »Sag das nicht, Töchterchen.« Babukin putzte sich den Schnauzbart, in dem einige Tropfen der süßen Milch hingen. »Der Offizier kommt aus Wolgograd. Das hat etwas zu bedeuten. Glaubt bloß nicht, daß sie Ruhe geben, ehe sie genau wissen, was mit Jelena Antonowna geschehen ist.«
    Der alte Babukin schien eine prophetische Stunde zu haben. Draußen vernahm man Pferdegetrappel, dann stürzte ein Reiter ins Haus und winkte mit beiden Armen, als er das Zimmer betrat.
    »Er sucht Bilder!« rief er. »Bilder von Njuscha! Evtimia Wladimirowna, hast du Bilder von Njuscha?«
    »Bei Gott – ja!« Evtimia stand starr, aber Babukin sprang hoch wie ein Gummiball.
    »Her mit ihnen und in den Ofen!« brüllte er. »Steh nicht herum, Töchterchen, und glotze Löcher in die Luft! Wo sind die Bilder, he? In

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