Liebe am Don
Granja im Ufersand des Don, ehe er fähig war, wieder klar zu denken und sich langsam zu bewegen. Njuscha hockte neben ihm, überglitzert von Wassertropfen, eine gefährliche, gnadenlose Nixe. Granja zog sich mühsam hoch, bis er saß. In seinen aufgerissenen Augen flackerte noch der Schmerz. Er drückte beide Hände auf sein Geschlecht und klapperte schauerlich mit den Zähnen.
»Das werde ich dir nie vergessen«, sagte er mit rostiger Stimme. »Das zahle ich dir zurück, du Satan!«
Njuscha blickte über den Fluß. Ihre Lippen waren geschürzt. Nicht einen Funken Angst hatte sie vor Granja, der neben ihr vor Rache brannte.
»Man nimmt mich nicht mit Gewalt«, sagte sie langsam. »Ich suche mir meinen Mann selbst aus … und er wird es freiwillig bekommen, alles, mehr als du denken kannst.«
»Und auf wen wartest du, he?« schrie Granja. »Wer ist das, der auf dir liegen darf, na? Muß es ein Prinz sein? Bist du zu fein für einen Kosaken, was?« Er riß einen Klumpen nassen Sandes aus dem Boden und warf ihn Njuscha in den Schoß. »Paß auf, daß dir nicht Spinnweben davorwachsen! Daß man nicht erst mit einem Besen kehren muß, um zwischen die Schenkel zu kommen –«
»Ein Schwein bleibt ein Schwein«, sagte Njuscha. »Auch wenn man es wie ein Kamel anstreicht.« Sie sprang auf, gab Granja zum Abschied noch eine saftige Ohrfeige und schwang sich auf ihr Pferdchen, das zurückgekehrt war. Nach einer Minute war sie hinter den Hügeln verschwunden. Das letzte, was Warwarink sah, waren ihre wehenden blonden Haare.
Granja Nikolajewitsch kroch zu seinem Gaul, zog sich stöhnend in den Sattel, klammerte sich an der Mähne fest und trottete zurück nach Perjekopsskaja.
Mit ihm zog die Rache in das friedliche Dorf.
Granja Nikolajewitsch Warwarink hatte sich geschworen, jeden zu töten, dem Njuscha ihre Gunst schenkte.
*
Um zehn Uhr war Eberhard Bodmar abfahrbereit.
Zwei Boys hatten die Koffer in den dunklen, schweren Moskwitsch-Wagen geladen. Ein Garagenmonteur hatte das Auto aufgetankt, die Rechnung des Hotels ›Ukraina‹ war bezahlt, zwei kleine Koffer Jelena Antonownas, mit denen sie gekommen war, standen noch in der Halle, der Subdirektor hatte viel Erfolg, gute Fahrt und schönes Wetter gewünscht … die Freiheit lag vor Eberhard Bodmar.
Das weite Land.
Das grandiose Erlebnis Rußland.
Die Fahrt in die Vergangenheit seines Vaters.
Jelena Antonowna verfiel in eine sprudelnde Unruhe. Sie hatte darauf verzichtet, das Onkelchen Marschall anzurufen. Tumow, der oben noch immer die Gäste verhörte und trotz der Frühlingswärme kalte Füße bekam, war auch ohne den Schatten des Marschalls ein angeschlagener Mann. Um sich selbst zu trösten, brüllte er die Ustenjka an, bezichtigte die Zimmermädchen mit ihren altmodischen Spitzenhäubchen der Faulheit und nannte sie Huren, die nur munter würden, wenn eine Männerhand unter den Rock krieche. Daß Tumow dadurch nicht beliebter wurde, war klar.
»Ich möchte noch einmal bei der Deutschen Botschaft vorbei«, sagte Bodmar, als Jelenas Köfferchen auf den Rücksitz gelegt wurden.
»Sie haben volle Handlungsfreiheit, Gospodin.«
»Volle?« Bodmar blickte Jelena mit geneigtem Kopf an. Sie wurde rot, was ihr gut stand und zu der Farbe ihres Lippenstifts paßte.
»Was die Fahrt betrifft«, antwortete sie streng.
»Natürlich, Sie Katze.«
Jelena preßte die Lippen zusammen und senkte die Lider. Sie waren hellblau gepudert, und Bodmar drehte sich schnell ab, um die Bemerkung, die ihm auf der Zunge lag, herunterzuschlucken.
Vor der Deutschen Botschaft in der Großen Grusinischen Straße blieb Jelena wieder im Auto sitzen und wartete. »Es dauert diesesmal nicht so lange«, sagte Bodmar. »Ich hole nur etwas ab.«
»Wir haben Zeit.« Sie holte aus der Umhängetasche die Morgenausgabe der ›Prawda‹ und begann zu lesen. Aber über den Zeitungsrand beobachtete sie, wie Bodmar in die Botschaft ging. Er hat den federnden Schritt eines Tennisspielers, dachte sie. Ich werde ihn fragen, ob er Tennis spielt. Ich habe so viel zu fragen … aber die Fahrt ist ja lang genug. Vier Wochen immer in seiner Nähe, unter seinen Augen, umhüllt von seiner Stimme. Ich werde es nicht aushalten können. Es ist zuviel verlangt von mir. Es wird der Tag kommen, wo ich mich vor seine Füße rolle wie eine Katze.
Es verging wirklich nicht viel Zeit, und Bodmar kam aus dem alten Palais zurück. Zwei Botschaftsangestellte trugen zwei Säcke aus Zeltstoff hinter ihm her, klappten den
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