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Liebe am Don

Liebe am Don

Titel: Liebe am Don Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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über ihre zitternden Flanken warf. Aber das war sinnlos, denn die Pferde ließen sich einfach fallen, streckten sich aus und keuchten wie zwei zerrissene Blasebälge.
    Am Grab öffnete sich eine Gasse in der Menschenmauer, als Njuscha und Bodmar erschienen. Der Sarg stand offen auf der Erde, und Tutscharin hockte stolz neben dem Sargdeckel und bewunderte sein Werk, das silberne Palmblatt schimmerte in der Sonne. Würdevoll kam Vater Ifan mit seinem großen Kreuz Njuscha entgegen, umarmte, küßte und segnete sie. Dann gab er den Weg frei zu Evtimia Wladimirowna.
    Sie lag auf einem roten Kissen und war zugedeckt mit einem blauen seidenen Tuch. Ihr schmales Gesicht war rosig und von einer unheimlichen Lebensnähe.
    Langsam ließ sich Njuscha vor dem offenen Sarg auf die Knie nieder. Behutsam streichelte sie das Gesicht der Mutter, legte einen Strauß Blumen, den die Nachbarin Amalja im Garten der Kolzows gepflückt hatte, unter die gefalteten Hände der Toten und betete dann stumm, die Stirn auf den Sargrand gelegt. Als die Frauen, die sie umringten, pflichtschuldig zu weinen und laut zu klagen begannen, schrak Njuscha hoch und schüttelte den Kopf.
    »Mütterchen –«, sagte sie und beugte sich weit über Evtimia. »Sag Väterchen, daß ich glücklich bin. Sag ihm, daß mein Leben schön ist. Ich bin zurückgekommen zu euch allen, und ich werde immer wieder zurückkommen, so groß die Welt auch ist. Gib Väterchen diesen Kuß –«
    Sie küßte die Mutter auf die kalten, noch gefrorenen Lippen und zog schaudernd die Schultern zusammen. Dann erhob sie sich, stellte sich neben Bodmar und schob ihren Arm unter seinen Arm.
    Tutscharin und Babukin schraubten den Deckel zu. Vater Ifan begann mit seiner tiefen Stimme zu singen, die Glocke im Turm der rosa Kirche läutete, sechs Männer, unter ihnen auch Kotzobjew und Rebikow, ließen den Sarg an dicken Seilen in das Grab hinab. In diesem Augenblick stemmte Klitschuk sich in den Sattel hoch und schoß mit seiner Reiterpistole in die Luft.
    An Kolzows Ehrenmal begannen die Hornisten zu blasen.
    Sie bliesen das Signal ›Zum Angriff‹, immer hintereinander. Etwas anderes konnten sie nicht. Ein Kosak trauert nicht … er greift an.
    Über den Don schob sich träge eine Wolke und verdunkelte den Himmel. In Streifen durchbrach die Sonne das Hindernis und bestrahlte das offene Grab mit hundert goldenen Fingern.
    »Gott holt sie zu sich –«, stammelte der alte Babukin ergriffen.
    Dann weinte er, denn plötzlich kam ihm der Gedanke, daß er weniger feierlich begraben werden würde.
    *
    Am gleichen Nachmittag, diesem Sonnabend, betrat Oberst von Braun das Zimmer seines Vorgesetzten Generalmajor Bollweiß. Er wußte, warum man ihn gerufen hatte, und war gut vorbereitet.
    General Bollweiß verzichtete auf alle freundlichen Einleitungen und empfing von Braun in einer so knappen, unpersönlichen Art, wie sie eigentlich in den Diensträumen des Bundesnachrichtendienstes nicht üblich war. Oberst von Braun deutete deshalb auch so etwas wie eine stramme Haltung an, als er vor dem Schreibtisch des Generals stand.
    »Ich habe es Ihnen prophezeit«, sagte Bollweiß grämlich, »das geht in die Hosen. Ich nehme an, Sie haben den Funkspruch unseres Kontaktmannes VII auch in den Händen?«
    »Natürlich, Herr General.« Oberst von Brauns Gesicht blieb verschlossen. Vor dir, dachte er. Ich kannte den verdammten Funkspruch schon, als du noch keine Ahnung hattest, was sich da in Wolgograd abgespielt hat. Und während wir hier herumreden und ich die Schuld elegant auf mich nehmen werde, sind ganz präzise Befehle bereits unterwegs an die Wolga. Kallberg, oder – wie er jetzt heißt – Fjodor Alexejewitsch Prikow hat seine Marschrichtung erhalten, und von ihr wird nicht abgewichen. Auch die Leute in Moskau sind verständigt. Ein Funkzeichen genügt nur, und im KGB-Hauptquartier läutet ein Telefon. Es wird eine besondere Freude sein, ihnen als Adresse für Eberhard Bodmar die Gruft der Shukendskijs auf dem Friedhof Nr. II in Wolgograd anzugeben.
    General Bollweiß blickte in das aufgeschlagene Aktenstück und rieb sich mit dem rechten Zeigefinger den Nasenrücken. »Und was sagen Sie dazu?«
    »Bodmars Austausch gegen Kallberg bleibt bestehen.«
    »Braun! Wir sind hier keine Zauberbude!«
    »Kallberg wird nicht zurückgenommen. Er wird bereits nächste Woche auf der Fahrt zum Atomforschungsinstitut Lanogorsk sein.«
    »Und Bodmar?«
    »Landet Dienstag abend in München via

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