Liebe am Don
wir noch vor uns. Ich bin mit einem Wägelchen da … um die Ecke steht's. Laß uns laufen –«
Bodmar erlebte nicht mehr, ob die Masse der Bauern wirklich von dem schon überfüllten Zug aufgenommen wurde. Babukin hetzte wie ein Wahnsinniger über die Steppe, trieb die beiden Pferdchen an, als jage der Teufel hinter ihnen her, und dabei redete er ohne Unterbrechung über alles, was sich in Perjekopsskaja zugetragen hatte. Besonders seine Heldentaten strich er heraus, und die Schilderung seiner Begegnung mit Rossoskij hörte sich an, als habe ein bewaffneter Zweikampf mit dem Oberstleutnant aus Moskau stattgefunden. Bodmar und Njuscha klammerten sich an den Seitenteilen des schwankenden und hüpfenden Wagens fest, die Gäule schwitzten und dampften, und es war abzusehen, daß Babukin sie zu Tode trieb und sie umfallen würden, wenn sie Perjekopsskaja erreicht hatten.
»Noch eine Stunde!« brüllte er auf dem Kutschbock und drehte sich um. »Jetzt holt Kotzobjew Evtimia aus dem Kühlhaus. Daß ich so etwas nicht erlebe … hoj … hoj … wollt ihr wohl laufen, ihr Kalmückenstuten!«
Dann sahen sie in der Ferne den Don, die flachen, sandigen Ufer, die Schilfdickichte, sahen die Dächer von Perjekopsskaja und eine kleine Reiterschar, die ihnen entgegengaloppierte.
»Das ist Klitschuk mit einer Abteilung«, erklärte Babukin. »Wir haben vier Abteilungen in der Steppe stehen, um allen Überraschungen zuvorzukommen. Hoj! Hoj! Mein Gott, sie stolpern über ihre eigenen Beine! Früher gab es bessere Pferde. Da ritten die Atamanen eine Woche lang, ohne daß ihnen die Gäulchen unter dem Hintern wegsanken.«
Klitschuks Abteilung umringte den Wagen, die Männer winkten Njuscha zu und ritten dann neben ihr zurück. Vom Don wehte ihnen der Klang der Glocke entgegen, ein dünner, ergreifender Ton.
»Sie fangen schon an!« brüllte Babukin. »Anhalten das Ganze. Halt! Wir kommen ja! Fedjuschka, sag ihnen Bescheid.«
Klitschuk nickte, beugte sich über den Pferdehals und raste davon wie ein Geist. Njuscha stand hinter Babukin im Wagen, umklammerte den Kutschbock und blickte auf das näherkommende Perjekopsskaja.
Die rosa bemalte Kirche, die Strohdächer, das hohe Parteihaus, das Magazin, die Kirschgärten und Ställe, die Flechtzäune, die Pappeln am Don, die Pferdekoppeln … sie warf sich herum, stürzte auf Bodmar und hing an seinem Hals.
»Wir sind zu Hause!« schrie sie. »Komm, steh auf, steh auf, Sascha … sieh doch hin … wir sind in der Heimat! Der Don! Der Don! Siehst du unser Haus? Dort … das mit dem roten Dach! Da ist der hohe Kirschbaum. Mit Väterchen hast du unter ihm gesessen, auf der Bank. Ich bin wieder zu Hause … ich wohne in keinem Grab mehr … in keinem Grab –«
Schluchzen schüttelte sie, das Gesicht vergrub sie an Bodmars Brust, und als Babukin vor dem Flechtzaun auf der Straße hielt – die Nachbarn umringten den Wagen und hoben Njuscha auf die Erde, und Balwan, der Hund, sprang aus dem Stall und wälzte sich vor Freude im Staub und jaulte und winselte – da fiel sie auf die Knie, drückte den dreckigen, stinkenden Hund an sich und schrie vor Freude in sein struppiges Fell.
Kalinew, der neue Dorfsowjet, nutzte die Gelegenheit und stieß Bodmar mit der Faust leicht vor die Brust. Es war ein kameradschaftlicher Stoß. »Wie lebt ihr?« fragte er.
»Schlimmer als die Ratten.«
»Aber ihr lebt. Nun ist das Haus leer. Wir alle werden es pflegen und sauberhalten, bis ihr wiederkommt. Und wenn es zwei oder drei Jahre dauert. Ihr könnt immer zurück nach Perjekopsskaja … hier ist eure Heimat.«
»Ich weiß es, Kalinew. Ich habe es noch nie so tief empfunden wie jetzt.«
Von der Kirche kam Klitschuk geritten. Er hatte Vater Ifan benachrichtigt. Um das offene Grab standen bereits die Bewohner von Perjekopsskaja … mit sieben Lastwagen waren außerdem Abordnungen aus der Sowchose und Kolchose gekommen. Der Chef der 1. Brigade, Sadowjew, hatte sogar eine Rede vorbereitet. An der Steinpyramide am Don, dem Ehrenmal für Kolzow, warteten drei Hornisten und würden blasen, wenn man Evtimia in die Grube senkte. Es sollte das feierlichste Begräbnis werden, das je in Perjekopsskaja stattgefunden hatte.
»Alles wartet!« schrie Klitschuk und wendete sein Pferd. »Man kann sich hinterher begrüßen –«
Zu Fuß gingen Njuscha und die anderen zur Kirche und zum Friedhof. Babukin überließ die zuschanden getriebenen Pferde einem Jungen, der sie ausschirrte, in Kolzows Stall führte und Decken
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