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Liebe am Don

Liebe am Don

Titel: Liebe am Don Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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greift und die Zähne prüft. »Sie sind ein nettes Mädchen, haben eine gute Figur … los, halten Sie einen Wagen an. Daumen hoch und gewinkt: ›Intourist‹-Mädchen mit Anhang nach Tula! Die Zündung ist hin, Genossen.«
    »Stellen Sie sich hin und winken! Sie sind der Fahrer.«
    »Und Sie sollen mich betreuen wie ein Mütterchen, Jelena. Läßt man ein Kind allein auf die Straße und winken? Ich bin ein hilfloser Mensch im fremden Land.« Bodmar lächelte impertinent. »Los, Mütterchen … auf die Straße gestellt, Brust 'raus, Röckchen hoch … die Männer werden bremsen, daß sie Saltos schlagen.«
    Jelena Antonowna zögerte. Ihre Augen waren dunkel vor Wut, aber sie stellte sich auf die Straße und wartete. Bodmar kam nach ein paar Minuten zu ihr. Sie tat, als höre, sähe und röche sie ihn nicht.
    »Es ist tatsächlich die Zündung«, sagte er leise. »Warum streiten wir uns immer? Jelena – ich liebe Sie –«
    Er drehte sie zu sich um, umfaßte sie und küßte sie, und diesmal gab sie ihm keine Ohrfeige, sondern hing in seinen Armen, willenlos, von der Süße des Augenblicks betäubt.
    Sie erwachten, weil vor ihnen Bremsen knirschten und Reifen über die Straße radierten.
    Ein schwerer ›Wolga‹ rutschte an ihnen vorbei, und in ihm saß ein Mann mit einer riesigen Glatze, über die der Angstschweiß tropfte.
    Es war Anton Antonowitsch Talinkow, Direktor einer Sockenwirkerei in Tula.
    Mit ihm begann der erste Reisetag ein Verhängnis zu werden.

V IERTES K APITEL
    Anton Antonowitsch Talinkow war ein Mensch so breit wie lang, ein fetter Bursche mit gelblicher Haut und leicht schräg gestellten Augen. Eine seiner Urgroßmütter mußte einmal mit einem Tataren, Kirgisen oder Kalmücken geschlafen haben, ein Fehltritt, der sich bei Anton Antonowitsch noch auswirkte, und nicht allein an Haut und Augen. Er war nicht so fett einer Krankheit wegen, wenn er auch immer beteuerte: »Die Drüsen sind's, Freunde. Die schrecklichen Drüsen! Sie blasen mich auf wie einen Ballon. Fürchterlich ist's, ich weiß es! Ich habe doch einen Spiegel. Weinen möchte man bei meinem Anblick!« Eingeweihte und die, welche Talinkow seine Freunde nannte, wußten genau, woher diese schwabbende Massigkeit kam. Fressen, Saufen und junge Weiber … das war für Anton Antonowitsch der Inbegriff einer schönen Welt. Das schwemmte ihn auf, machte ihn kurzatmig und ließ sein Herz wie ein Hammer schlagen, der auf einen Amboß klingelt.
    Woher er das Geld nahm, sich eine Datscha zu leisten, einen Wolga-Wagen, eine Jagd, zwei Geliebte und Freunde, die ihm um den Bart strichen wie Katzen um einen Milchtopf, das wußte niemand. Sein Gehalt als Direktor einer Sockenwirkerei war im Vergleich zu seinem Lebensstil minimal. »Von den paar Rubelchen kann er nicht einmal einen Schenkel bezahlen, geschweige denn vier«, raunte man in der Fabrik. »Und wie er lebt, der fette Talinkow! Wie ein Herrchen zur Zarenzeit. Wie ein Bojar, das sei geklagt. In der Fabrik brüllt er wie ein Stier, und auf seiner Datscha brüllen die Weiber, wenn sie betrunken sind.«
    Der Distriktskommissar in Tula schwieg zu allem. Es gab genug Beschwerden über Talinkow, anonyme Briefe, Anrufe von Leuten, die ihre Stimme hinter Taschentüchern verstellten, sogar ein Flugblatt war einmal in Tula verteilt worden, nachts, denn am Morgen lagen die Zettel vor und in allen Häusern … was half's? Der Distriktkommissar war Jagdgast bei Talinkow, amüsierte sich auf dessen Datscha, und wenn er einmal nachdenklich wurde und moralische Anwandlungen zeigte, legte ihm der schlaue Anton Antonowitsch ein strammes Weibchen ins Bett. Zugegeben: Wer denkt da noch an Amtsgeschäfte? Wer will einen Bericht nach Moskau schreiben, wenn ein schnurrendes, glatthäutiges Kätzchen auf einem herumturnt und einem kaum noch Luft zum Atmen läßt? Talinkow kannte das, und so lebte er wirklich wie ein Bojar, im Knopfloch den roten Stern eines Verdienstordens für ständige Erfüllung des Übersolls. Gemeint ist natürlich ein Übersoll in der Sockenwirkerei.
    Dieser fette Mensch also kletterte jetzt aus seinem Wagen und brüllte über die stille Waldstraße.
    »Warum legt ihr euch nicht gleich mitten auf die Straße?« schrie er und tupfte sich den Schweiß von der riesigen Glatze. »Ein nackter Arsch glänzt wenigstens – den sieht man von weitem! Unerhört ist das!«
    »Sie sind ein Schwein, Genosse«, sagte Jelena Antonowna kühl. Sie ordnete ihr Haar und rückte die verrutschte Bluse zurecht. So

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