Liebe am Don
kleinen, schwachen Weibchens meisterhaft. Ihr Seufzen, ihre Schwäche, ihr Erwachen, ihr blauer Meeresblick … alles hat sie berechnet. Man sollte sie um die Ohren hauen, das Aas! Mit Tritten wegjagen wie einen kläffenden Hund. Nackt ist sie unter ihrem Kleid, eine Dorfhure, weiter nichts!
Aber ich passe auf, mein Täubchen! Ich stutze dir die Flügelchen, das schwöre ich dir. Ich bin nicht an den Don gekommen, um meine Liebe an ein dreckiges Stallweib zu verlieren. Geh in die Scheune, wo du hingehörst, und leg dich für die Bauernjungen ins Heu.
»Das Boot ist in Sicherheit«, sagte Bodmar, als das Mädchen sich setzte und das Haar im Nacken zusammennahm. »Wo wohnst du? Ich bringe dich nach Hause.«
»Ich bin aus Perjekopsskaja. Ich heiße Njuscha Dimitrowna Kolzowa. Mein Vater ist der Dorfsowjet.« Njuscha sah sich um, betastete die Polster und das mit Stoff bespannte Dach des Autos. »Du kommst aus der Stadt?«
»Ja. Aus Moskau.«
»Direkt aus Moskau?« Njuschas große Augen glänzten. »Aus dem schönen Moskau? Ich träume von Moskau …«
»Du kennst es?«
»Nein. Ich habe nur Bilder gesehen, ich habe sie ausgeschnitten und gesammelt. Ein ganzes Heft voll. Immer sehe ich sie an. Oh, ich kenne Moskau ganz genau. Den Spasskiturm, die Basilius-Kathedrale, den Roten Platz mit dem Lenin-Mausoleum, die Universität, das Dynamo-Stadion, den Gorki-Park, das Kaufhaus GUM … dort zu leben, muß wie in einem Märchen sein.«
Njuschas Hände flochten, während sie sprach, Zöpfe in das lange, nasse Haar. Wie raffiniert sie das macht, dachte Jelena zornig. So kindlich sieht das aus, so verspielt hilflos. Und Bodmar, dieser Dummkopf, fällt darauf herein. Er kommt sich vor wie ein gütiges Väterchen. Das Gesicht sollte man dir zerkratzen, du blonder Satan.
Bodmar setzte sich hinter das Steuer. Jetzt fuhr er wieder, und neben ihm saß Njuscha. Jelena mußte sich hinten zwischen das Gepäck klemmen; sie tat es mit einem gefährlichen, unterdrückten Knurren.
»Wie weit ist es bis Perjekopsskaja?« frage Bodmar.
»Zwei Werst …« Njuscha lehnte sich zurück. Das nasse Kleid spannte sich über ihrer Brust, sie ließ das Haar los und schüttelte die Zöpfe wieder auseinander. »Väterchen wird sich freuen, Besuch aus Moskau zu bekommen. Er schwärmt von Moskau. Einmal den Kreml sehen, sagt er, einmal vor dem großen Lenin stehen und in sein Gesicht blicken … das wäre ein großer Abschluß meines Lebens. Und Mütterchen träumt von einem Gebet an der goldenen Ikonastase von Sagorsk und von einem Segen des Patriarchen Alexeij. So ist das bei uns zu Hause … es wird dir bei uns gefallen, Brüderchen …«
So kam Eberhard Bodmar nach Perjekopsskaja, diesem kleinen, unbekannten Dorf am Don, in dem seit Jahrhunderten die Kosaken lebten.
Wie sagte Vater Ifan Matwejewitsch, der Priester, nachdem der Blitz das Bild des heiligen Wladimir gespalten hatte: »Es wird ein Unglück geben über Perjekopsskaja –«
Man soll den Weissagungen der Priester manchmal doch Gehör schenken … im eigenen Interesse, Genossen!
*
Dimitri Grigorjewitsch Kolzow hockte im Stall und melkte unlustig seine alte Kuh Buscha, als der Moskwitsch vor dem Hause hielt.
Das Bremsen scheuchte ihn auf, er stellte den verbeulten Zinkeimer neben die brummende Buscha, stieß den Schemel weg und rannte zur Tür. Der Hahn, ein uralter Bursche mit einer heiseren, vom vielen Kommandieren zerbrochenen Stimme, krähte wie toll auf dem Misthaufen und gebärdete sich, als sei der Teufel gekommen. Auch Balwan, der Hund, riß an seiner rostigen Kette und gab Töne von sich, die Kolzow selten an ihm gehört hatte.
Da muß etwas Besonderes gekommen sein, dachte er, wischte sich die Hände an der Hose ab und stieß die hölzernen Flügel der Stalltür auf. Als er den Moskwitsch-Wagen erkannte, verzog er das Gesicht und blieb erst einmal abwartend im Schatten des Stalleingangs stehen.
Mit einem so schönen Auto kommen nur Vorgesetzte, dachte er. Der Distriktvorsitzende etwa oder der Kontrolleur der Kolchosen aus Kalatsch oder gar – wenn's der Teufel will – der Parteisekretär aus Wolgograd. Die Burschen strolchen ja immer in der Gegend herum, haben nichts zu tun und ärgern ehrbare Kosaken mit ihrer Anwesenheit.
Vor der Haustür erschien jetzt Evtimia Wladimorowna, das Mütterchen, hatte eine saubere Schürze umgebunden und ein blaues Kopftuch. Sie hielt einen Besen aus Birkenreisig in den Händen und tat so, als ob sie den Eingang fege. Dabei schielte
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